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Meier, Mischa [Editor]; Radtki, Christine [Editor]; Schulz, Fabian [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0035
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34

Johann Martin Thesz

als König Ägyptens, erfährt, dass eine wohlhabende und angesehene Frau in ein ehe-
brecherisches Verhältnis verwickelt ist. Sie wird auf frischer Tat ertappt und anschlie-
ßend in Schandprozessionen durch das ganze Land geführt, der Ehebrecher getötet.36
Die Parallelen zum Mythos vom göttlichen Ehebruch im achten Buch der Odyssee
sind offensichtlich. Malalas macht aber zunächst nicht deutlich, dass seine Erzäh-
lung auf einer Interpretation des Liedes von Ares und Aphrodite beruht. Erst, nach-
dem er den ,historischen4 Sachverhalt dargestellt hat, folgt der Hinweis auf Homer:
περί ού ιστορεί ποιητικώς Όμηρος ό ποιητής, ώς ό Ήλιος, φησίν,ήλεγξεν την
Αφροδίτην συμμιγνυμένην νυκτός Άρει („Darüber erzählt der Dichter Homer auf
dichterische Weise, wie Helios - so sagt er - Aphrodite, als sie nachts mit Ares ver-
kehrte, entdeckte“). Das Adverb ποιητικώς, mit dem Malalas die mythische Darstel-
lung Homers beschreibt, trägt dabei Implikationen der,Lüge4,37 wie die anschließend
erfolgende Berichtigung4 zeigt: τό δε άληθές - ,in Wahrheit aber4, womit Malalas
auf den zuvor geschilderten ,historischen4 Geschehenszusammenhang verweist. Als
Quelle für diese Interpretation Homers gibt er Palaiphatos an, von dem rationali-
sierende Mythendeutungen überliefert sind.38 Die Dichtung Homers erscheint hier
geradezu als Verzerrung der historischen Wahrheit. Auch wenn Malalas sich einer
expliziten Kritik an Homer enthält, ist doch auffällig, dass er in seiner Behandlung der
in den Homerischen Gedichten dargestellten Narrative konsequent andere Autoren
vorzieht, entweder solche, die Homer chronologisch vermeintlich vorausliegen und
aufgrund ihrer Nähe zu den Ereignissen historische Zuverlässigkeit zu garantieren
scheinen, oder solche, die Homers dichterische4 Verzerrung der Wahrheit interpretie-
rend aufklären. Insgesamt zeigt Malalas also eine eher ablehnende Haltung gegenüber
Homer.
Eine explizite Kritik äußert Malalas demgegenüber an Xenophon, Aischines und
Aristoteles, die er allesamt als Philosophen bezeichnet und denen er vorwirft, sie hät-
ten die Irrlehre von der Seelenwanderung (πλάνην μετεμψυχώσεως) eingeführt.39
Er nennt in diesem Zusammenhang zahlreiche Verwandlungsmythen, die in den
Werken der betreffenden Autoren angeblich dargestellt werden. Diese sind für Ma-
lalas bloße Namen, eine Vorstellung vom Inhalt ihrer Werke besitzt er offenkundig
nicht einmal ansatzweise.
Die geringe Kenntnis der klassischen Literatur, die in der Chronik des Mala-
las zu Tage tritt,40 sowie seine in frappierender Weise gegen die Normen des atti-
zistischen Griechisch verstoßende Sprache deuten beide in dieselbe Richtung und
36 Joannes Malalas, Chronographia II1.
37 Nach D’Alfonso (2006), S. 1 verweist der Ausdruck ποιητικώς bei Malalas auf „l’arbitraria Jicenza
poetica' ehe avalla leggende incredibili ed empie.“ Vgl. auch Jeffreys (E.) (1990b), S. 215, derzufolge
ποιητικώς bei Malalas als „a derogatory expression“ zu werten ist.
38 Die von Malalas zugrundegelegte Interpretation des Liedes von Ares und Aphrodite findet sich aller-
dings nicht in der unter dem Namen des Palaiphatos überlieferten Schrift.
39 Joannes Malalas, Chronographia VII16.
40 Vgl. Jeffreys (E.) (1990b), S. 196f., die für alle von Malalas zitierten klassischen Autoren lediglich eine
sekundäre Rezeption annimmt.
 
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