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Johann Martin Thesz
Sprache der Heiligen Schriften als Muster gegenüberstellt.48 Wiederholt spricht er
dabei von ,unserer Bildung (ήμετέρα παιδεία), die offenbar als Gegenentwurf zur
griechisch-römischen Paideia zu verstehen ist.49
Die der traditionellen Bildung gegenüber feindliche Tendenz des Christentums,
die bei Tatian zum Ausdruck kommt, klingt immer wieder an, in der Spätantike ist sie
vor allem bei Mönchen anzutreffen.50 Dass sie sich auch im 6. Jahrhundert noch nicht
überlebt hatte, wird besonders deutlich bei Romanos Melodos, einem Zeitgenossen
des Malalas, der wie dieser aus Syrien stammte. In seinem „Hymnus auf das Heilige
Pfingsten“ bringt Romanos seine Verachtung für die klassische Bildung mit äußerster
Vehemenz zum Ausdruck, indem er behauptet, dass die gebildete Sprache der Rheto-
ren durch die einfachere Sprache der Christen entwertet worden sei.51 Auf diese Kritik
der formalen Seite der traditionellen Bildung folgt dann die Verfemung ihrer Inhalte.
Romanos gibt die wichtigsten Leitfiguren der hellenischen Kultur in einer durch
Wortspiele auf die Spitze getriebenen Polemik geradezu der Lächerlichkeit preis52:
Ούκοϋν έδόθη αύτοΐς πάντων περιγενέσθαι öl’ ών λαλοϋσιν
γλωσσών;
καί τί φιλονεικοϋσιν οί έξω ληροϋντες;
τί φυσώσιν καί βομβέουσιν οί Έλληνες;
τί φαντάζονται προς Άρατον τον τρισκατάρατον;
τί πλανώνται προς Πλάτωνα;
τί Δημοσθένην στέργουσι τον άσθενη;
τί μή νοοϋσιν Όμηρον ονειρον άργόν;
τί Πυθαγόραν θρυλλοϋσιν τον δικαίως φιμωθέντα;
τί δε μή προστρέχουσιν πιστεύοντες οίς ένεφανίσθη
τό πανάγιον πνεύμα;
Wurde ihnen53 etwa nicht gegeben, allen überlegen zu sein durch die Sprachen, die
sie sprechen? Und wieso streiten da noch diejenigen, die heidnischen Schwachsinn
von sich geben? Wieso schnauben und donnern die Heiden? Wieso lassen sie sich,
verblendet, von Arat verleiten, dem dreimal Verfluchten? Wieso irren sie zu Platon?
Wieso lieben sie Demosthenes, den Schwachen? Wieso erkennen sie nicht Homer
als einen müßigen Traum? Wieso reden sie immerzu von Pythagoras, der zu Recht
zum Schweigen gebracht wurde? Wieso laufen sie nicht gläubig zu denen, denen
er erschien, der ganz heilige Geist?54
48 Tatianus, Oratio ad Graecos 29, 2.
49 Tatianus, Oratio ad Graecos 12,10; 35,3.
50 Vgl. Wifstrand (1967), S. 25.
51 Romanus Melodus, Cantica genuina 33,16.
52 Romanus Melodus, Cantica genuina 33,17.
53 Gemeint sind die Jünger.
54 Die Übersetzung teilweise nach Koder (2006), S. 716.
Johann Martin Thesz
Sprache der Heiligen Schriften als Muster gegenüberstellt.48 Wiederholt spricht er
dabei von ,unserer Bildung (ήμετέρα παιδεία), die offenbar als Gegenentwurf zur
griechisch-römischen Paideia zu verstehen ist.49
Die der traditionellen Bildung gegenüber feindliche Tendenz des Christentums,
die bei Tatian zum Ausdruck kommt, klingt immer wieder an, in der Spätantike ist sie
vor allem bei Mönchen anzutreffen.50 Dass sie sich auch im 6. Jahrhundert noch nicht
überlebt hatte, wird besonders deutlich bei Romanos Melodos, einem Zeitgenossen
des Malalas, der wie dieser aus Syrien stammte. In seinem „Hymnus auf das Heilige
Pfingsten“ bringt Romanos seine Verachtung für die klassische Bildung mit äußerster
Vehemenz zum Ausdruck, indem er behauptet, dass die gebildete Sprache der Rheto-
ren durch die einfachere Sprache der Christen entwertet worden sei.51 Auf diese Kritik
der formalen Seite der traditionellen Bildung folgt dann die Verfemung ihrer Inhalte.
Romanos gibt die wichtigsten Leitfiguren der hellenischen Kultur in einer durch
Wortspiele auf die Spitze getriebenen Polemik geradezu der Lächerlichkeit preis52:
Ούκοϋν έδόθη αύτοΐς πάντων περιγενέσθαι öl’ ών λαλοϋσιν
γλωσσών;
καί τί φιλονεικοϋσιν οί έξω ληροϋντες;
τί φυσώσιν καί βομβέουσιν οί Έλληνες;
τί φαντάζονται προς Άρατον τον τρισκατάρατον;
τί πλανώνται προς Πλάτωνα;
τί Δημοσθένην στέργουσι τον άσθενη;
τί μή νοοϋσιν Όμηρον ονειρον άργόν;
τί Πυθαγόραν θρυλλοϋσιν τον δικαίως φιμωθέντα;
τί δε μή προστρέχουσιν πιστεύοντες οίς ένεφανίσθη
τό πανάγιον πνεύμα;
Wurde ihnen53 etwa nicht gegeben, allen überlegen zu sein durch die Sprachen, die
sie sprechen? Und wieso streiten da noch diejenigen, die heidnischen Schwachsinn
von sich geben? Wieso schnauben und donnern die Heiden? Wieso lassen sie sich,
verblendet, von Arat verleiten, dem dreimal Verfluchten? Wieso irren sie zu Platon?
Wieso lieben sie Demosthenes, den Schwachen? Wieso erkennen sie nicht Homer
als einen müßigen Traum? Wieso reden sie immerzu von Pythagoras, der zu Recht
zum Schweigen gebracht wurde? Wieso laufen sie nicht gläubig zu denen, denen
er erschien, der ganz heilige Geist?54
48 Tatianus, Oratio ad Graecos 29, 2.
49 Tatianus, Oratio ad Graecos 12,10; 35,3.
50 Vgl. Wifstrand (1967), S. 25.
51 Romanus Melodus, Cantica genuina 33,16.
52 Romanus Melodus, Cantica genuina 33,17.
53 Gemeint sind die Jünger.
54 Die Übersetzung teilweise nach Koder (2006), S. 716.