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Meier, Mischa [Editor]; Radtki, Christine [Editor]; Schulz, Fabian [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0039
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38

Johann Martin Thesz

Bildung genossen hatte,60 würde sich seine christliche Perspektive und seine Distanz
zur traditionellen griechisch-römischen Bildungswelt erklären.
Was bei Romanos Melodos und Johannes von Telia ebenso wie bei Malalas zu
beobachten ist, lässt sich als eine Verdrängung der klassischen durch eine christli-
che Paideia beschreiben.61 Nicht Homer, sondern die Bibel bildet das Zentrum dieser
christlichen Paideia.62 Eine solche Verdrängung wurde auch von Seiten der Regierung
gefördert und manifestierte sich konkret in kultur- und bildungspolitischen Maßnah-
men. Bereits kurz nach dem Herrschaftsantritt Justinians, im Jahr 528/529, sind Hei-
denverfolgungen überliefert,63 und im Jahr 529 erließ er ein Edikt, das in Athen das
Unterrichten von Philosophie und Astronomie64 untersagte, was zur Schließung der
neuplatonischen Akademie führte.65 Die zitierten Äußerungen des Romanos Melo-
dos sind in der Sache plausibel als Kommentar hierauf interpretiert worden.66 Weitere
Heidenverfolgungen in den Jahren 545/546 und 56z67 belegen die antipagane Haltung
Justinians.68 Zwar richteten sich diese Maßnahmen Justinians nicht gegen die klas-
sische Bildung als solche,69 doch ließ die enge Verbindung zum Heidentum diese
zumindest als suspekt erscheinen.70 Das Resultat waren jedenfalls einschneidende
Veränderungen im Status der traditionellen Paideia und im Bildungswesen.71 Dass der
60 Jeffreys (E.) (1990a), S. 55 stellt fest, dass Syrisch mit großer Wahrscheinlichkeit die erste Sprache des
Malalas war, nimmt aber an, dass seine Bildung ausschließlich griechisch gewesen sei, ohne die Mög-
lichkeit in Betracht zu ziehen, dass er auch eine syrische Bildung genossen haben könnte.
61 Zur kulturellen Transformation durch das Christentum in der ausgehenden Spätantike vgl. Liebes-
chuetz (2001), S. 223-248. Vgl. auch Browning (2000), S. 869 zur Enstehung eines neuen Lesepublikums
durch die zunehmende Christianisierung. Dieses Publikum rezipierte v.a. die Heiligen Schriften, litur-
gische Texte, Schriften der Kirchenväter und Heiligenviten und bildete eine neue Gruppe von Kultur-
trägern.
62 Jaeger (1961), S. 92 setzt christliche Paideia geradezu mit der Bibel gleich. Zur Verdrängung des klassi-
schen Kanons durch die Bibel im Zeitalter Justinians vgl. Maas (2003), S. 13: „(T)he Bible was displa-
cing classical paideia at the center of the empire and so giving shape to medieval Byzantine culture.“
63 Joannes Malalas, Chronographia XVIII 42. Vgl. Meier (2004), S. 205 f. Zu den ,Säuberungsaktionen
Justinians gegen Heiden und deren ideologischen sowie politischen Hintergründen vgl. Maas (1992), S.
70-78.
64 Joannes Malalas, Chronographia XVIII 47. Der Cod. Bodleianus Baroccianus hat hier νόμιμα, die von
Thurn in den Text aufgenommene Lesart αστρονομίαν nach Vat. gr. 163.
65 Zum Edikt Justinians und zur Schließung der neuplatonischen Akademie vgl. Watts (2004) und Meier
(2004), S. 207-209 mit weiterer Literatur.
66 So Topping (1976), S. 12; Hunger (1984), S. 33. Bereits Maas (1906), S. 21 hatte die Möglichkeit in Be-
tracht gezogen, dass Romanos mit der zitierten Strophe auf die Schulschließung Bezug nimmt.
67 Zur Datierung vgl. Stein (1949), S. 799 f.
68 Zu den Heidenverfolgungen in den Jahren 545/546 und 562 vgl. Meier (2004), S. 299-302 sowie S. 587-
599·
69 Vgl. Liebeschuetz (2001), S. 243.
70 Vgl. Maas (2003), S. 76: „Many classical intellectual traditions did not sit well with deep Christian reli-
giosity during Justinian’s reign. The relationship between imperial Christianity and the classical legacy
of learning in science, philosophy, and other fields became highly political and ambiguous. That is to say,
continuity with Rome’s past was stressed at the same time that significant aspects of that legacy - in
this instance, education - fell under suspicion of being pagan.“
71 Zur Religions- und Bildungspolitik unter Justinian vgl. Schlange-Schöningen (1995), S. 154-157. Bell
(2013), S. 248-252 spricht von einer „decline oipaideia“ unter Justinian; ähnlich Lemerle (1971), S. 68-73.
 
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