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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0162
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Fragmentum Tusculanum II und die Geschichte eines Zankapfels 161
an Eva.33 Diese Geschichte ist erstmals bei Theopistos, dessen Vita Dioscori zwischen
454 und 477 verfasst wurde, bezeugt.
Auf diese Angriffe reagierten - so Scott - die Chalkdonier, indem sie den Spieß
umdrehten: Sie tauschten zwei der drei Protagonisten aus und gaben der Geschichte
so eine neue Stoßrichtung: Theodosius schenkte den Apfel nicht seiner Schwester,
der späteren Frau Markians, sondern der eigenen Ehefrau, Eudokia, die ihn an Pau-
linus weiterverschenkte. Durch diesen Kniff wurde Eudokia zur Ehebrecherin, was
auf ihren Mann zurückfiel. So war Theodosius, der die Miaphysiten gestützt hatte,
in ein schlechtes Licht gerückt und waren Markian und Pulcheria entlastet. Darauf
reagierten wiederum die Miaphysiten durch eine Gegendarstellung, in der Eudokia
exkulpiert wurde.
Über Jahrhunderte wirkten diese drei Erzählstränge fort: Die miaphysitische Aus-
gangsgeschichte in syrischen und armenischen Quellen; die Replik bei Chalkedoniern
wie Theophanes (9. Jh.); und die miaphysitische Gegendarstellung in syrischen Quel-
len wie Johannes von Nikiu (spätes 7. Jh.).
Wie ist Malalas’ Version einzuordnen? Laut Scott benutzte dieser eine chalke-
donische Quelle, die er für seine Zwecke adaptierte: z.B. indem er die theologische
Problematik wegließ.34 Scott notiert, dass Details der Darstellung nicht recht zu chal-
kedonischer Propaganda passen.35 Patzig verortet Malalas’ Version hingegen fest im
Lager der Chalkedonier.36 Bevor wir gleich einen genaueren Blick auf den Text, wie
ihn der Baroccianus bezeugt,37 werfen, sei kurz die Vorgeschichte referiert.
Paulinus war ein alter Jugendfreund von Theodosius, der ihn bei der Brautschau
unterstützte. Er half bei der Suche und nahm Eudokia gemeinsam mit Theodosius in
Augenschein. Dieser entbrannte für sie, jener bewunderte sie. Theodosius heiratete
Eudokia und förderte seitdem Paulinus als Freund, Ehevermittler und Trauzeugen
durch Gunst und Posten. Als magister officiorum hat Paulinus regelmäßigen Kontakt
mit der Kaiserin.
Einmal schenkte Theodosius seiner Frau Eudokia einen außergewöhnlich großen
Apfel. Diese schenkte ihn an Paulinus weiter, weil (ώς) er ein alter Freund des Kaisers
war. Als Paulinus den Apfel nun seinerseits dem Kaiser schenkte, wunderte sich dieser
und stellte seine Frau zur Rede. Als sie behauptete, den Apfel gegessen zu haben, und
eine Weitergabe leugnete, strafte er sie Lügen, indem er ihr den Apfel präsentierte.
Er wurde wütend und verdächtigte sie, in Paulinus verliebt zu sein und ihm daher
33 Vgl. Littlewood (1974) und Arbel (2012).
34 Scott (2010), S. 119 und 128.
35 Scott (2010), S. 128: „(...) his emphasis on the significance of Paulinus for both Theodosius and Eudokia
throughout their lives and his later references to Theodosius’ erotic love for Chrysaphius”; zur gegen-
sätzlichen Darstellung bei Theophanes vgl. ebd. S. 123.
36 Patzig (1898), S. 128: „Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn Malalas im Lager der Monophysi-
ten als Feind behandelt wurde (...) Johannes von Nikiu, dessen Hauptquelle Malalas ist, hat (...) gegen
die von Theodosios II. handelnde Erzählung Einspruch erhoben und nennt von seinem monophysiti-
schen Standpunkte aus seinen Gewährsmann einen - Häretiker.“
37 Johannes Malalas, Chronographia XIV 8, ed. Thurn, S. 276, Zeile 13 - S. 278, Zeile 42.
 
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