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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0165
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Fabian Schulz

man ein Geschenk nicht weiterverschenkt. Der Kaiser glaubt zufällig zu Recht, dass Pau-
linus in Eudokia verliebt ist - sie hatte ihm schon beim ersten Anblick gefallen und glaubt
fälschlich, dass sie diese erwidert. Wenn Paulinus nun hingerichtet wird, hat er die Strafe
verdient. Eudokia ist traurig, weil man sie tatsächlich schlecht behandelt hat. Überall
weiß man, dass Paulinus ihretwegen umgebracht worden ist; weiß aber nicht, dass sie
unschuldig war. Noch auf dem Totenbett weist sie den Vorwurf der Leute, für Paulinus'
Tod verantwortlich zu sein, von sich - zu Recht.
Pointiert heißt das: Der Verdacht des Kaisers trifft Paulinus zu Recht und seine
Gattin zu Unrecht: Denn diese war ihm treu, jener hat ihre Freundschaft verraten. Im
Gegensatz zum Baroccianus erscheint das Kaiserpaar in den Tuskulanischen Fragmen-
ten also in besserem Licht: Die Kaiserin ist unschuldig, ihr Gatte vergeht sich nur an
einer Person und straft die andere zu Recht.
Ergebnisse und Perspektiven
Es ergeben sich folgende Schlüsse: Wie Scott gezeigt hat, hängen die Apfel-Ge-
schichten mit innerchristlicher Polemik nach dem Konzil von Chalkedon zusammen.
Die Miaphysiten benutzten sie zur Diffamierung von Markian und Pulcheria; die
Chalkedonier, in deren Lager Patzig und Scott Malalas’ Version auf Grundlage des
Baroccianus verorten, wendeten sie gegen Theodosius II. und Eudokia. Aber in den
Tuskulanischen Fragmenten erscheint der Kaiser tendenziell entlastet und die Kaiserin
exkulpiert. Anschließend werden Theodosius' Eigenschaften in einer Liste aufgezählt,
die ausgesprochen lang und positiv ist. Diese Lesart fügt sich besser in den Kontext
des 14. Buchs, von dem selbst Scott eingeräumt hat, dass er nicht recht zu chalkedoni-
scher Propaganda passt (vgl. Anm. 35). Bei Malalas hat die Geschichte also ursprüng-
lich keinen chalkedonischen Tenor; im Gegenteil, sie gehört zu den miaphysitischen
Gegendarstellungen, die Theodosius und Eudokia besser darstellen, und ist in ihrer
Reihe die erste (erhaltene). Es war erst der Epitomator, der das Kaiserpaar durch seine
Änderungen in ein schlechtes Licht setzte, so dass die Geschichte wieder chalkedoni-
sche Interessen befriedigte. Dies war bereits der Schluss, zu dem Djakonow aufgrund
eines Vergleichs des Baroccianus mit der syrischen Chronik des Johannes von Ephesos
gekommen war.46 Leider bieten die anderen Teile der Tuskulanischen Fragmente - je-
denfalls bisher - keine weiteren Aufschlüsse,47 so dass die miaphysitischen Spuren im
erhaltenen Malalas dünn bleiben.48

46 Gemäß Djakonow geht der miaphysitische Tenor der Chronik des Johannes von Ephesos auf den Ur-
Malalas zurück, /(βπκοηοβ (1908); zusammenfassend Witakowski (1987), S. 35 f. und ebd. (1990), S.
299 h Debie (2004), S. 162-164 hingegen ist in dieser Hinsicht vorsichtiger.
47 Vgf Drecoll Ön diesem Band) über das vierte Fragment.
48 Blaudeau (2006) findet zwischen den Zeilen eine Sympathie für die Miaphysiten und eine antinesto-
rianische Einstellung. Drecoll (in diesem Band) negiert hingegen eine miaphysitische Tendenz.
 
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