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Meier, Mischa [Editor]; Radtki, Christine [Editor]; Schulz, Fabian [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0306
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Die Weltchronik des Johannes Malalas und die Kirchengeschichte des Nikephoros Xanthopulos

3°5

Triebkraft des Geschehens ist. Bei Malalas geht die Initiative von Theodosius selbst
aus und der Kaiser gibt seiner Schwester bestimmte Hinweise. Die spätere Tradition,
allerdings mit der Ausnahme des Nikephoros, befasst sich nicht mehr mit der Suche
selbst, sondern gibt sich lediglich mit der Andeutung zufrieden, dass Theodosius Eu-
dokia auf Rat der Pulcheria und eventuell auch des Paulinus heiratete (vgl. z.B. Leo
Grammaticus, Chronographica 106).
Die Aufzählung der Fertigkeiten der Eudokia durch Nikephoros geht hingegen
weit über die sonstige Überlieferung hinaus und findet weder bei Malalas noch in an-
deren erhaltenen Chroniken eine Parallele. Nur bei Nikephoros heißen die Brüder der
Eudokia Valerius und Aetius, während sie in der übrigen Überlieferung Valerius und
Gesius genannt werden. Einige Unterschiede weist auch das Testament des Leontius,
des Vaters der Eudokia auf. Laut Nikephoros erhielt Eudokia kein Geld, wobei ihr
Vater die Motive seiner Entscheidung ausreichend erklärt. Bei Malalas bekommt sie
hingegen 100 Nomismata. Im Vergleich zu Malalas und den Chronisten fehlen bei
Nikephoros auch solche wichtige Details, wie das Motiv der Tanten, die der enterbten
Eudokia Hilfe leisteten. Alle diese genannten Abweichungen können aus der starken
Kürzung und absichtlichen Überarbeitung des Malalas-Berichtes (und stellenweise
auch aus einer Fehllesung) resultiert haben. Gegen eine solche Annahme scheint aber
die Tatsache zu sprechen, dass Nikephoros auch einige Zusätze beifügt, die Malalas
nicht kennt. Nikephoros gibt nämlich an, dass Eudokia von dem Bischof Atticus in
der Kapelle des Protomartyrs Stephanos getauft worden sei. In diesem Zusammen-
hang wird Atticus vom Kirchenhistoriker Socrates und dem Chronisten Kedrenos
erwähnt (vgl. Socrates Scholasticus, Historia Ecclesiastica VII 21; Cedrenus 591), der
Ort der Taufe wird aber nur von Nikephoros bezeugt.
Die Apfelgeschichte gehört zu den berühmtesten historischen Anekdoten und
ist als solche mehrfach überliefert.47 Es bleibt aber unklar, welche Werke Nikephoros
hier als Vorlagen verwendete. Mit Sicherheit hat er in seinen Vorlagen einiges miss-
verstanden: Malalas spricht von einem phrygischen Apfel, während Nikephoros die
Bezeichnung „phrygisch“ in den Namen des Armen Frygiskos umwandelt.
Mit Malalas könnte der mittelalterliche Kirchenhistoriker in gewissem Maß durch
die Krankheit des Paulinus verbunden werden: Laut Nikephoros wurde Paulinus von
der Fußgicht befallen, Malalas’ Diagnose ist hingegen nicht so präzis: Er gibt nur an,
dass Paulinus Beschwerden am Bein gefühlt habe. In anderen wichtigen Details wei-
chen beide Berichte jedoch deutlich voneinander ab: Bei Nikephoros gibt der Kaiser
dem Armen 100 Nomismata, bei Malalas 150. Bei Nikephoros, ähnlich wie z.B. bei
Theophanes,48 wird Paulinus zuerst nach Kappadokien verbannt und erst dort getötet.
Laut Malalas ließ Theodosius diesen Paulinus sofort hinrichten.
Es bleibt also unklar, ob und inwiefern Nikephoros in der Eudokia-Geschichte auf
Malalas beruht. Wäre hier Malalas benutzt worden, würde dies bedeuten, dass Nike-
phoros in beiden diesen Geschichten weit davon entfernt ist, ihn direkt zu überneh-
47 Zu der Apfelgeschichte in der byzantinischen Geschichtsschreibung vgl. Scott (2010).
48 Zwischen Nikephoros und Theophanes gibt es jedoch auch zahlreiche Unterschiede.
 
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