Metadaten

Carrara, Laura [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Radtki-Jansen, Christine [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0165
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
1
2 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
164

Dariusz Brodka

Aller Wahrscheinlichkeit nach wies Eustathios die bestehenden chronologischen
Modelle, nach denen sich die griechische Chronographie richtete, zurück und schuf
seine eigene Zeitrechnung. Es ist durchaus plausibel, dass er sich dadurch gegen die
Endzeiterwartungen um 500 n.Chr. positionierte. Auf Basis chiliastisch beeinflusster
6ooo-Jahr-Spekulationen, die die Schöpfung der Welt auf etwa 5500 v.Chr. datierten,
fixierte man gewöhnlich die Wiederkehr Christi und damit das Weitende auf etwa
500 n. Chr. Weil aber das Weitende ausblieb, kam es zu einem Zusammenbruch der
bisher gültigen christlichen Chronologien. Die moderne Forschung hat erkannt, dass
es im 6. Jahrhundert Versuche gab, die chronologisch-eschatologischen Modelle zu
korrigieren. Während Malalas, wie Mischa Meier argumentiert, die Geburt Christi
in das Weltjahr 5967 verlegt,29 findet Eustathios eine andere Lösung, indem er davon
ausgeht, dass die Welt weitaus jünger ist als die meisten christlichen Chronologien an-
nahmen. Auf diese Art legt Eustathios dar, dass der Ablauf der 6000-Jahres-Frist erst
auf etwa 1650/1651 n.Chr. zu fixieren ist und daher alle eschatologischen Ängste seiner
Zeitgenossen unbegründet sind. Der Rückgriff auf die jüdische Tradition bei dieser
chronologischen Neukonzeption könnte jedoch für die christlichen Chronisten zu ra-
dikal gewesen sein, und vielleicht sind darin die Gründe dafür zu suchen, dass sowohl
Malalas als auch Euagrios und Theophanes diese Zeitrechnung außer Acht ließen.
Hinzuweisen ist hier noch auf einen anderen Aspekt dieser chronologischen Kal-
kulationen, der sich mit der entsprechenden Passage bei Malalas verbinden lässt. Ma-
lalas gibt nämlich an, dass es insgesamt drei Zerstörungen (πορθήσεις) des Tempels
von Jerusalem gab. In Chronographia X 45 (S. 197, 92-93 Thurn) betrachtet der Chro-
nist die Zerstörung durch Titus als die dritte, in Chronographia VIII 23 (S. 157, 27-28
Thurn) diejenige durch Antiochos Epiphanes als die zweite, wobei er sich in beiden
Fällen auf Eusebios, Sohn des Pamphilos, als Quelle beruft. Die moderne Forschung
hat aber gesehen, dass eine solche Zählung der Zerstörungen bei Eusebios nicht be-
legt ist.30 Der Schlussteil der chronologischen Kalkulationen des Eustathios enthält
hingegen diejenigen Angaben, die die Grundlage für die Malalas-Datierungen liefern
könnten. Eustathios zählt hier nämlich drei Einnahmen (άΛωσις) des Tempels von
Jerusalem auf: die erste durch Nabuchodonosor (Eustathius, Epitome de Flavio losepho
Έ. 69 und 92 Allen), die zweite durch Antiochos Epiphanes und die letzte durch Titus
(Eustathius, Epitome de Flavio losepho Έ. 97-101 Allen).31 Darüber hinaus lässt sich
dem Eustathios-Text entnehmen, dass diese Einnahmen mit ebenso vielen Zerstö-
άΛΛήλοις περί τούτο τούς ιστοριογράφους εύρήκαμεν εν τοΐς οικείοις συντάγμασι τού
άληθούς άμελήσαντας.
29 Meier (2003), S. 444_40ο, und vgl. auch Jeffreys (1990a). Unterschiede zwischen dem chronologischen
Modell des Eustathios und demjenigen des Malalas sind auch an anderen Stellen vernehmbar: Malalas
setzt z.B. die Sintflut in das Weltjahr 2552, Eustathios in das Weltjahr 1656.
30 Thurn/Meier (2009), S. 216 Anm. 138 und S. 269 Anm. 206; Flavios Josephos (in Flavius losephus,
Bellum ludaicum VI 435-442) zählt fünf Einnahmen Jerusalems und zwei Zerstörungen auf. Zur
Abhängigkeit des Malalas von Eusebios siehe Jeffreys (1990b), S. 180 und unten Anm. 32.
31 Vgl. insb. Eustathius, Epitome de Flavio losepho Έ. 97-98 Allen: έως τής αύτού δεύτερος άΛώσεως
τής ύπό Αντίο χου τού Επιφανούς; Eustathius, Epitome de Flavio losepho Έ. 101-102 Allen: έως
τής τελευταίας αύτού άΛώσεως τής ύπό Ούεσπασιανού καί Τίτου.
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften