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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0237
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Jonas Borsch, Christine Radtki-Jansen

Zeiten der Kaiser zugetragen haben, bis hin zu den Vorfällen meiner eigenen Zeit,
soweit sie mir zu Ohren gelangten. Ich meine damit, von Adam bis zur Kaiser-
herrschaft Zenons und der darauf folgenden Kaiser. Was noch kommt, das müssen
die Nachfolger tüchtigkeitshalber festhalten. Die Mehrzahl der Historiker also hat
die Darstellung über die Welt so dargelegt.1
Mit den voranstehend zitierten Worten eröffnet Johannes Malalas seine Chronogra-
phia. Die kurze Passage, die im akephalen Oxforder codex unicus (dem Bodleianus Ba-
roccianus 182) zwar fehlt, aber über die Codices Parisini 1630 und suppl. 682 sowie über
die slawische Parallelüberlieferung mit einiger Zuverlässigkeit wiederhergestellt wer-
den kann, bietet die wichtigsten - da einzigen - Anhaltspunkte für das methodische
Vorgehen des Autors.2 In diesen knappen, nicht leicht zu interpretierenden Ausfüh-
rungen legt der Autor für das erste und letzte Mal innerhalb der Chronographia seine
Arbeitsweise dar. Dabei werden zwei unterschiedliche Techniken geschildert: Zum
einen erklärt Malalas, nicht näher definierte Sachverhalte (τινά) zusammengetragen/
verkürzt (ακρωτηριάσαι), d.h. offenbar aus früheren Schriften exzerpiert zu haben;
eine Vorgehensweise, die er mit einer ganzen Reihe von Namen verbindet, beginnend
mit Moses (gemeint ist das Alte Testament) über eine bis Eustathios von Epiphaneia
(gest. nach 502/503)3 reichende Liste von chronographoi bis hin zu „vielefn] anderefn]“
Autoren verschiedener Zuordnung. Zweitens weist er darauf hin, dass er Dinge „der
vollen Wahrheit gemäß“ habe „aufzeigen/beschreiben“ (έκθέσαί ... μετά πάσης
αΛη θείας) wollen; dabei bezieht er sich auf jüngere Zeitabschnitte, namentlich auf
τοϊς χρόνοις των βασιλέων - die Zeit der römischen Kaiser - und auf τοϊς έμοϊς
χρόνοις - seine eigene Zeit. Im Zusammenhang mit dieser letzteren schließlich be-
zieht er sich auf ein Detail, das den Ausgangspunkt dieses Beitrags bilden soll: Er
habe, so heißt es hier, die Geschehnisse so aufgezeichnet, wie „sie mir zu Ohren ge-
langten“ (έΛθό<ν>των εις τάς εμάς άκοάς).
Das Sich-Berufen auf,Gehörtes4 kennt man unter dem Begriff der ακοή als Tech-
nik der Geschichtsschreibung spätestens seit Herodot. Im Falle des Halikarnassiers
hat sich um die Frage nach oralen Quellen eine anhaltende Kontroverse entsponnen,
die sich vor allen Dingen daran entzündet, als wie zuverlässig Herodots regelmäßig
wiederkehrende Verweise auf solche Quellen einzustufen sind und inwieweit sie im
Einzelnen vielleicht nicht doch auf Schriftquellen verweisen oder gar frei erfunden
sein mögen.4 Für Malalas ist das Aufkommen einer vergleichbar umfassenden Dis-
kussion nicht zu erwarten, unterscheidet sich sein Umgang mit mündlichen Quellen
1 Malalas, Chronographia praefatio (S. 3, 4-14 Thurn), deutsche Übersetzung von Thurn/Meier (2009),
S. 41-42. Vgl. zu dieser Passage den ausführlichen Kommentar in Jeffreys (1996), S. 53-57.
2 Der griechische Text entstammt den beiden Pariser Handschriften, die im Wesentlichen, wenngleich
nicht bis ins Detail, untereinander und mit dem slawischen Text übereinstimmen; es handelt sich
gleichwohl um verkürzte Versionen: Vgl. Thurn (2000), S. 3 (Apparat); Jeffreys (1996), S. 53.
3 Vgl. zu Eustathios von Epiphaneia als Quelle des Malalas die Beiträge von Dariusz Brodka und Roger
Scott in diesem Band. Jahreszahlen verstehen sich als Datierungen n.Chr.
4 Maßgeblich befeuert wurde diese Diskussion durch die Streitschrift von Fehling (1971); vgl. zur For-
schungsgeschichte zu diesem Problem zusammenfassend Rengakos (2011), S. 345-349.
 
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