Diplomaten und Anekdoten
241
beider Darstellungen hat gezeigt, dass sie miteinander im Ganzen kohärente Versio-
nen bieten, wobei allerdings unterschiedliche Akzente gesetzt werden - insbesondere
mit Blick auf die individuelle Rolle einzelner Akteure.23 Klar treten in beiden Texten
die beiden Herrscher Justinian und Kavadh als zentrale Entscheidungsinstanzen ent-
gegen. Beide verfügen über eine Reihe von Diplomaten, zu denen auf römischer Seite
der magister officiorum Hermogenes, der magister militum Rufinus, der comes Alexander
und der unentbehrliche Beiisar zählen. Während bei Prokop jedoch der Schwerpunkt
der Beschreibungen (kaum verwunderlich) auf den militärischen Abläufen liegt, ist
in der Darstellung des Malalas das diplomatische Geschehen von größerer Relevanz.
Auch die Rollenverteilung erscheint unterschiedlich: Begegnet etwa Beiisar bei Ma-
lalas hauptsächlich im Kontext des Kampfesgeschehens - zum Beispiel im Zuge der
Schlacht um die Grenzstadt Dara - so tritt er bei Prokop auch in der Funktion eines
Diplomaten auf: Er nimmt an Verhandlungen mit Kavadh an der Seite von Hermo-
genes und Rufinus teil und hält mehrere Reden, die in der Darstellung des Malalas
vollkommen fehlen. Zudem scheint Prokop bewusst Ereignisse ausgelassen zu haben,
die für Beiisar kompromittierend waren: Das in Malalas, Chronographia XVIII 60
geschilderte zögerliche Verhalten Beiisars beim Heranrücken der Perser und seine
Verärgerung über das eigenmächtige und beherzte Vorgehen des dux Sunikas, eines
mit den Römern verbündeten Hunnenfürsten, erwähnt Prokop nicht. Die Präsenz
Beiisars in der Darstellung des Prokop und sein dortiger Vorrang vor anderen an
Diplomatie und Kriegsgeschehen beteiligten Protagonisten ist natürlich keineswegs
überraschend, hatte der Caesarienser seiner eigenen Aussage zufolge doch die meis-
ten von ihm geschilderten Ereignisse persönlich als adsessor (juristischer Berater) des
berühmten Feldherrn miterlebt.24 Prokop war demzufolge Augenzeuge größerer Teile
des Kriegsgeschehens, was seinen Bericht fraglos stark beeinflusst hat. Malalas dage-
gen konnte im Zusammenhang mit diplomatischen und kriegerischen Ereignissen
wohl kaum in größerem Maße auf Autopsie bauen; dennoch offenbart er einen Infor-
mationsstand, der sich mit dem des Prokop mindestens messen kann. Dafür muss er
zwingend auf gut informierte Quellen zurückgegriffen haben - es fragt sich allerdings,
welchen Charakters sie waren.
Um einer Antwort näher zu kommen, ist es nötig, zunächst kurz einen verglei-
chenden Blick auf mutmaßliche Quellen Prokops zu werfen. Prokop hat viele, aber
nicht alle von ihm beschriebenen zeitgenössischen Ereignisse selbst erlebt. Da er
(S. 393, 85-96 Thurn); 69 (S. 393, 8-394,12 Thurn); 70 (S. 394,16-21 Thurn); 72 (S. 401,10-11 Thurn); 76
(S. 401,19-33 Thurn). In direkter Verbindung stehen bei Malalas zudem auch verschiedene Passagen
über Truppenbewegungen und Kriegshandlungen: Siehe insb. Malalas, Chronographia XVIII58 (S. 386,
55-57 Thurn); 59 (S. 387, 75-81 Thurn); 60 (S. 387, 82-389, 64 Thurn); 61 (S. 389, 67-390, 81 Thurn); 65
(S. 391,25-39 Thurn). Für einen Überblick über die Quellensituation zum persisch-römischen Konflikt
im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts vgl. Greatrex (1998), S. 62-71.
23 Vergleichend Sotiriadis (1888), S. 114-125; siehe außerdem die Gegenüberstellung von Prokop mit
Malalas in der Prokop-Übersetzung von Veh (1970), S. 506-566, die historische Darstellung auf Basis
beider Quellen bei Greatrex (1998), S. 139-221 sowie die ganz auf die Darstellung bei Malalas konzen-
trierte Untersuchung von Scott (1992).
24 Procopius, Bellum Persicum 11; 12; vgl. PLREIII s.n. Procopius 2, S. 1060.
241
beider Darstellungen hat gezeigt, dass sie miteinander im Ganzen kohärente Versio-
nen bieten, wobei allerdings unterschiedliche Akzente gesetzt werden - insbesondere
mit Blick auf die individuelle Rolle einzelner Akteure.23 Klar treten in beiden Texten
die beiden Herrscher Justinian und Kavadh als zentrale Entscheidungsinstanzen ent-
gegen. Beide verfügen über eine Reihe von Diplomaten, zu denen auf römischer Seite
der magister officiorum Hermogenes, der magister militum Rufinus, der comes Alexander
und der unentbehrliche Beiisar zählen. Während bei Prokop jedoch der Schwerpunkt
der Beschreibungen (kaum verwunderlich) auf den militärischen Abläufen liegt, ist
in der Darstellung des Malalas das diplomatische Geschehen von größerer Relevanz.
Auch die Rollenverteilung erscheint unterschiedlich: Begegnet etwa Beiisar bei Ma-
lalas hauptsächlich im Kontext des Kampfesgeschehens - zum Beispiel im Zuge der
Schlacht um die Grenzstadt Dara - so tritt er bei Prokop auch in der Funktion eines
Diplomaten auf: Er nimmt an Verhandlungen mit Kavadh an der Seite von Hermo-
genes und Rufinus teil und hält mehrere Reden, die in der Darstellung des Malalas
vollkommen fehlen. Zudem scheint Prokop bewusst Ereignisse ausgelassen zu haben,
die für Beiisar kompromittierend waren: Das in Malalas, Chronographia XVIII 60
geschilderte zögerliche Verhalten Beiisars beim Heranrücken der Perser und seine
Verärgerung über das eigenmächtige und beherzte Vorgehen des dux Sunikas, eines
mit den Römern verbündeten Hunnenfürsten, erwähnt Prokop nicht. Die Präsenz
Beiisars in der Darstellung des Prokop und sein dortiger Vorrang vor anderen an
Diplomatie und Kriegsgeschehen beteiligten Protagonisten ist natürlich keineswegs
überraschend, hatte der Caesarienser seiner eigenen Aussage zufolge doch die meis-
ten von ihm geschilderten Ereignisse persönlich als adsessor (juristischer Berater) des
berühmten Feldherrn miterlebt.24 Prokop war demzufolge Augenzeuge größerer Teile
des Kriegsgeschehens, was seinen Bericht fraglos stark beeinflusst hat. Malalas dage-
gen konnte im Zusammenhang mit diplomatischen und kriegerischen Ereignissen
wohl kaum in größerem Maße auf Autopsie bauen; dennoch offenbart er einen Infor-
mationsstand, der sich mit dem des Prokop mindestens messen kann. Dafür muss er
zwingend auf gut informierte Quellen zurückgegriffen haben - es fragt sich allerdings,
welchen Charakters sie waren.
Um einer Antwort näher zu kommen, ist es nötig, zunächst kurz einen verglei-
chenden Blick auf mutmaßliche Quellen Prokops zu werfen. Prokop hat viele, aber
nicht alle von ihm beschriebenen zeitgenössischen Ereignisse selbst erlebt. Da er
(S. 393, 85-96 Thurn); 69 (S. 393, 8-394,12 Thurn); 70 (S. 394,16-21 Thurn); 72 (S. 401,10-11 Thurn); 76
(S. 401,19-33 Thurn). In direkter Verbindung stehen bei Malalas zudem auch verschiedene Passagen
über Truppenbewegungen und Kriegshandlungen: Siehe insb. Malalas, Chronographia XVIII58 (S. 386,
55-57 Thurn); 59 (S. 387, 75-81 Thurn); 60 (S. 387, 82-389, 64 Thurn); 61 (S. 389, 67-390, 81 Thurn); 65
(S. 391,25-39 Thurn). Für einen Überblick über die Quellensituation zum persisch-römischen Konflikt
im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts vgl. Greatrex (1998), S. 62-71.
23 Vergleichend Sotiriadis (1888), S. 114-125; siehe außerdem die Gegenüberstellung von Prokop mit
Malalas in der Prokop-Übersetzung von Veh (1970), S. 506-566, die historische Darstellung auf Basis
beider Quellen bei Greatrex (1998), S. 139-221 sowie die ganz auf die Darstellung bei Malalas konzen-
trierte Untersuchung von Scott (1992).
24 Procopius, Bellum Persicum 11; 12; vgl. PLREIII s.n. Procopius 2, S. 1060.