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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0282
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Johannes „der Rhetor*

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schon mehrmals und z.T. auch kritisch hervorgehoben.37 Erschwerend kommt hinzu,
dass auch der sog. „slawische Malalas“ kein einheitliches Werk ist (also keine einheit-
lich überlieferte und zusammenhängende slawische Übersetzung der Ur-Chronik des
Malalas), sondern ein Hilfskonstrukt der Forschung, das sich nur aus einer Vielzahl
von z.T. schwer überschaubaren Überlieferungssträngen (Handschriften und -klassen,
Exzerpten in späteren russischen Geschichtswerken usw.) herausdestillieren lässt. Die
ursprüngliche slawische Übersetzung der Ur-Chronik des Malalas ist, genauso wie die
Ur-Chronik selbst, verloren.
Ungeachtet dieser Probleme gelten aus Sicht der modernen Forschung die alt-
slawischen Übersetzungen der Chronik insgesamt als ein ernstzunehmendes Abbild
des ursprünglichen griechischen Textes und werden deshalb als eine legitime und
unverzichtbare Ergänzung des mangelhaften Baroccianus betrachtet. Die folgende
Beweisführung geht von dieser verbreiteten Forschungsmeinung aus und wird sich
fast ausschließlich mit in kirchenslawischer Übersetzung bekannten Malalas-Partien
aus Chronographia XVII 16 beschäftigen. Aus methodischer Vorsicht kann der durch
Thurn rückübersetze griechische Text selbstverständlich nicht als Grundlage dienen;
stattdessen wird es mit einer deutschen Übersetzung der entsprechenden slawischen
Passagen gearbeitet,38 die ich meinem dieser Sprache kundigen Tübinger Kollegen
Kamil Cyprian Choda verdanke.39 Nicht der präzise Wortlaut, sondern Inhalt und
Ton der selektierten Stellen werden hier im Vordergrund stehen, denn auf diesen bei-
den Ebenen sind - trotz der zahlreichen dazwischenstehenden Überlieferungsstadien
und Übersetzungsbarrieren - die Absichten des Originals noch vergleichsweise gut
greifbar.
Eine Bestätigung dafür, dass in der kirchenslawischen Übersetzung die Ur-Chro-
nik des Malalas nicht vage und punktuell durchschimmert, sondern wirklich präsent
und formgebend ist, kommt aus einem wichtigen Zeugnis der griechischsprachigen
Parallelüberlieferung. Aus der Historia Ecclesiastica des Euagrios, eines jüngeren Zeit-
genossen des Malalas, erfährt man, dass die Beschreibung des Antiochia-Erdbebens
von 526 n.Chr. in der griechischen Version der Malalas-Chronik, die ihm vorlag, sich
37 Zuletzt von Sorlin (2004), S. 142-145. Kritiken finden sich auch in den Rezensionen zur Thurns Ausgabe
von Meier (2001), S. 1077-1078; Flusin (2002), S. 286 und Franklin (2002), S. 149, wobei Letzterer zu-
gibt, dass Thurn konkret nicht viele andere Optionen als die Rückübersetzung hatte.
38 Englische Übersetzung des „slawischen Malalas“ bieten auch Spinka (1940) für die Bücher VIII-XVIII
und Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986) als Subtext unter ihrer Übersetzung des Baroccianus.
39 Die slawischen Texte selbst sind mir leider nicht direkt zugänglich. Ich bin Kamil Choda für seine
wertvolle Hilfe bei der Erschließung des „slawischen Malalas“ (und dessen moderner russischer
Übersetzung) zu großem Dank verpflichtet und darf an dieser Stelle noch seine Einschätzung der
Rückübersetzungsleistung Thurns bezüglich der Erdbebenpassage in Chronographia XVII16 referieren:
„Aus einer Nachprüfung des rückübersetzten Textes von Thurn vor dem Hintergrund der Edition von
Istrin geht hervor, dass Thurn sich ziemlich genau an den slawischen Text gehalten hat. Nur in der
Sequenz der Worte sind einige Änderungen festzustellen, sonst gibt es keine Auffälligkeiten“ (münd-
liche Mitteilung). Gerade bezüglich des zusätzlichen antiochenischen Materials in Buch XVII kriti-
sierte Franklin (2002), S. 149 an Thurns Rückübersetzung „loose renderings and arguable conjectures“:
Das scheint für die hier in Rede stehende Erdbebenbeschreibung nicht der Fall zu sein.
 
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