Theosophische Weissagungen bei Malalas
337
Hatte der originale Malalas-Text eventuell nicht nur bessere, sondern auch mehr
Weissagungen enthalten, die der Epitomator übergangen hat? Das ist denkbar, denn
dieser wird an den Orakeln wohl keinen großen Gefallen gefunden haben; jedenfalls
wenn er einen ähnlichen Geschmack wie die meisten Parallelquellen hatte. Die Au-
toren, die Malalas benutzen, rezipieren nämlich nur einen kleinen Teil seiner theo-
sophischen Orakel. Deshalb finden sich bei ihnen auch kaum andere theosophische
Orakel; und was sich findet, lässt sich nicht einfach dem Ur-Malalas zuschreiben, weil
es bei Autoren wie Georgios Monachos und Georgios Kedrenos vorkommt, die auf
der Malalas-Epitome zu basieren scheinen.38 Bei den Autoren, die die erste Edition
der Chronik bzw. die ungekürzte zweite benutzt haben, findet sich an Theosophica
nichts Neues.39
j.2 Quellen der theosophischen Sprüche
Die Quellenfrage ist komplex. Zu unterscheiden ist zwischen direkten und indirekten
Quellen des Malalas sowie solchen, die der Chronist nennt, und solchen, die er nicht
nennt. Diese Werke können wiederum erhalten oder verloren sein.
Vorausgeschickt sei: Die neue These, Malalas habe alles von Eustathios von Epi-
phaneia abgeschrieben, kann hier außer Betracht bleiben. Erstens muss man ihr aus
internen Gründen skeptisch gegenüberstehen, zweitens würde sie unser Problem
nicht lösen, sondern nur verlagern.40
3.2.1 Direkte und indirekte Quellen laut Malalas
Malalas beruft sich für die Sprüche und ihre Deutung auf Kyrill {Chronographia II 4;
VII 15), Timotheos {Chronographia IV 7; X 5) und auf Inschriften. Um mit letzteren
zu beginnen: Die Verweise auf Inschriften {Chronographia III 13; IV 8 und X 5), die
an dem und dem Ort angeblich bis zu der Zeit des Autors Zeugnis liefern, sind alle-
38 Z.B. bei Georgius Monachus, Chronicon S. 316, 7-20 de Boor und Georgius Cedrenus, Historiarum
compendium 226.4, 37-46 Tartaglia: Zur Zeit Vespasians sei ein Orakelspruch gefunden worden, dem-
gemäß ein gewisser Mensch über die ganze Welt herrschen werde, was fälschlich auf den Kaiser bezo-
gen worden sei und sich vielmehr auf Jesus Christus bezogen habe. Diese Episode geht auf Eusebius,
Historia Ecclesiastica III 8 zurück.
39 Die unepitomierte Fassung der Chronographia wurde wahrscheinlich von Theophanes, Euagrios
und Johannes von Ephesos benutzt und liegt dem Chronicon Paschale und der slawischen Übersetzung
zugrunde, siehe Jeffreys/Croke/Scott (1990), S. 245-313 (Kapitel „The Transmission of Malalas’
Chronicle“). Eine Rezeption desjenigen Buches der Theosophie, das Sibyllenorakel enthielt (Buch 10),
lässt sich schwerlich nachweisen: Die Listen von Sibyllen, die das Chronicon Paschale S. 201-202
Dindorf und der Textus genuinus Pheosophiae Sibyllarum S. 59-61 Erbse enthalten, weichen voneinander
ab; die Malalas-Chronik in ihrer jetzigen Form bringt nur drei Sibyllen, nämlich die von Delphi (IV 5),
von Erythrai (IV 10) und von Cumae (VII 8) - also die bekanntesten -, die an verschiedenen Stellen
der Erzählung erwähnt werden. Sibyllenorakel finden sich auch nicht in den genannten Autoren, die
die Ur-Fassung der Malalas-Chronik benutzt haben.
40 Treadgold (2007), S. 235-256 und Kaldellis (2009), S. 49-50. Gute Gegenargumente in Croke (2010).
Vgl. dazu auch den Beitrag von Dariusz Brodka in diesem Band.
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Hatte der originale Malalas-Text eventuell nicht nur bessere, sondern auch mehr
Weissagungen enthalten, die der Epitomator übergangen hat? Das ist denkbar, denn
dieser wird an den Orakeln wohl keinen großen Gefallen gefunden haben; jedenfalls
wenn er einen ähnlichen Geschmack wie die meisten Parallelquellen hatte. Die Au-
toren, die Malalas benutzen, rezipieren nämlich nur einen kleinen Teil seiner theo-
sophischen Orakel. Deshalb finden sich bei ihnen auch kaum andere theosophische
Orakel; und was sich findet, lässt sich nicht einfach dem Ur-Malalas zuschreiben, weil
es bei Autoren wie Georgios Monachos und Georgios Kedrenos vorkommt, die auf
der Malalas-Epitome zu basieren scheinen.38 Bei den Autoren, die die erste Edition
der Chronik bzw. die ungekürzte zweite benutzt haben, findet sich an Theosophica
nichts Neues.39
j.2 Quellen der theosophischen Sprüche
Die Quellenfrage ist komplex. Zu unterscheiden ist zwischen direkten und indirekten
Quellen des Malalas sowie solchen, die der Chronist nennt, und solchen, die er nicht
nennt. Diese Werke können wiederum erhalten oder verloren sein.
Vorausgeschickt sei: Die neue These, Malalas habe alles von Eustathios von Epi-
phaneia abgeschrieben, kann hier außer Betracht bleiben. Erstens muss man ihr aus
internen Gründen skeptisch gegenüberstehen, zweitens würde sie unser Problem
nicht lösen, sondern nur verlagern.40
3.2.1 Direkte und indirekte Quellen laut Malalas
Malalas beruft sich für die Sprüche und ihre Deutung auf Kyrill {Chronographia II 4;
VII 15), Timotheos {Chronographia IV 7; X 5) und auf Inschriften. Um mit letzteren
zu beginnen: Die Verweise auf Inschriften {Chronographia III 13; IV 8 und X 5), die
an dem und dem Ort angeblich bis zu der Zeit des Autors Zeugnis liefern, sind alle-
38 Z.B. bei Georgius Monachus, Chronicon S. 316, 7-20 de Boor und Georgius Cedrenus, Historiarum
compendium 226.4, 37-46 Tartaglia: Zur Zeit Vespasians sei ein Orakelspruch gefunden worden, dem-
gemäß ein gewisser Mensch über die ganze Welt herrschen werde, was fälschlich auf den Kaiser bezo-
gen worden sei und sich vielmehr auf Jesus Christus bezogen habe. Diese Episode geht auf Eusebius,
Historia Ecclesiastica III 8 zurück.
39 Die unepitomierte Fassung der Chronographia wurde wahrscheinlich von Theophanes, Euagrios
und Johannes von Ephesos benutzt und liegt dem Chronicon Paschale und der slawischen Übersetzung
zugrunde, siehe Jeffreys/Croke/Scott (1990), S. 245-313 (Kapitel „The Transmission of Malalas’
Chronicle“). Eine Rezeption desjenigen Buches der Theosophie, das Sibyllenorakel enthielt (Buch 10),
lässt sich schwerlich nachweisen: Die Listen von Sibyllen, die das Chronicon Paschale S. 201-202
Dindorf und der Textus genuinus Pheosophiae Sibyllarum S. 59-61 Erbse enthalten, weichen voneinander
ab; die Malalas-Chronik in ihrer jetzigen Form bringt nur drei Sibyllen, nämlich die von Delphi (IV 5),
von Erythrai (IV 10) und von Cumae (VII 8) - also die bekanntesten -, die an verschiedenen Stellen
der Erzählung erwähnt werden. Sibyllenorakel finden sich auch nicht in den genannten Autoren, die
die Ur-Fassung der Malalas-Chronik benutzt haben.
40 Treadgold (2007), S. 235-256 und Kaldellis (2009), S. 49-50. Gute Gegenargumente in Croke (2010).
Vgl. dazu auch den Beitrag von Dariusz Brodka in diesem Band.