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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0341
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Fabian Schulz

theos die pagane Präfiguration beweisen wollte. Elizabeth Jeffreys hält im Anschluss
an Bourier für wahrscheinlich, dass Timotheos Quelle des ganzen theosophischen
Materials war:52 Alles stamme aus seiner biblisch-profanen Parallelgeschichte; an den
anderen Stellen hätte Malalas seinen Namen unterschlagen. Alternativ könnte Ma-
lalas dieselbe Quelle wie Timotheos benutzt haben: eine Orakelsammlung, die ihrer-
seits aus Kyrill schöpft.53
3.2.2 Ungenannte Quelle(n): Theosophie(n)?
Malalas’ Orakelsprüche finden sich nämlich teilweise in christlichen Orakelsammlun-
gen, die in der Spätantike populär waren. Das antike theosophische Material ist von
Harmut Erbse und jüngst von Pier Franco Beatrice gesammelt, geordnet und editiert
worden.54 Ähnlich wie die modernen Editionen des Johannes von Antiochia lassen
sie sich diese zwei Ausgaben als „inflated“ und „deflated“ beschreiben.55 Für Erbse
steht die Theosophie (Θεοσοφία, d.h. das verlorene ungekürzte Original der Tübinger
Theosophie) am Beginn eines weitverzweigten Stemmas abhängiger Corpora. Beatrice
zieht alles in einem einzigen Werk zusammen, dem er noch weitere Texte einverleibt.
Beatrices Edition ist verlockend, weil sich die Sprüche der Malalas-Chronik gut ein-
fügen lassen: Die einen gehören ins Orakelbuch, die anderen ins Prophetenbuch der
Theosophie. Problematisch ist freilich, dass hier Uberlieferungsstufen nivelliert werden.
Die Edition von Beatrice wurde daher zu Recht kritisch aufgenommen.56 Hinsichtlich
des Malalas-relevanten Materials hat sie keine Fortschritte erzielt.57 Die Ausgabe von
Erbse ist daher nach wie vor Standard, auch wenn sie bei der Bewertung der Malalas-
Sekundärüberlieferung seitThurn an manchen Stellen überholt 1st.58
Zwei Malalas-Orakel finden sich in ähnlicher Form auch in der Tübinger Theoso-
phie, deren Original, die Theosophie, zwischen 491 und 503 verfasst wurde;59 einerseits
Chronographia X 5: die Pythia an Augustus (§51 Erbse; vgl. Theosophia I 52 Beatrice),
andererseits Chronographia IV 8: die Pythia von Therma an die Argonauten (§§53—
54 Erbse; vgl. Theosophia I 54-55 Beatrice). Die Tübinger Theosophie bzw. ihr Original
scheint jedoch keine direkte Quelle des Malalas zu sein, weil das Orakel über das
hebräische Kind (§51 Erbse) dort ab dem zweiten Vers abweicht und um zwei Verse
52 Jeffreys (1990b), S. 193 und 195; Bourier (1900), S. 12-20, 61-62; Patzig (1901), S. 603 teilweise skeptisch.
53 Jeffreys (1990b), S. 183 lässt offen, ob Malalas die zugrunde liegende Sammlung von Orakelsprüchen
direkt benutzte.
54 Erbse (1995) basiert auf Erbse (1941); Beatrice (2001).
55 Diese Definitionen gehen auf die Rezension von van Nuffelen (2012) zurück.
56 Vgl. die Rezension von Alpi/Le Boulluec (2004).
57 Beatrice übernimmt Erbses Lapsus (Platon; vgl. Anm. 66); bringt nichts Neues (z.B. das von Brock
[1983] entdeckte Material); seine These (Beatrice [2001], S. xlix), Severus von Antiochia sei der Autor
der Theosophie und erscheine bei Malalas unter dem ,Nickname' Timotheos, ist mit Vorsicht zu genie-
ßen: vgl. die Rezension von Alpi/Le Boulluec (2004), S. 298-304.
58 Vgl. z.B. Erbse (1941), S. 116: Ur-Malalas in Y' (= Anecdota Cramer)·, anders Thurn (2000), S. 8*: „Wir
haben es eher mit einer Überarbeitung als mit echtem Malalas zu tun“.
59 Beatrice (2001), S. xli. Erbse (1941), S. 3 und Erbse (1995), S. XIV: zwischen 474 und 501 (bzw.
507/508).
 
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