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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0373
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372 Wolfram Brandes
4. Historische Beobachtungen
Eine besondere Rolle - letztlich aber doch eine undurchschaubare - spielte der cu-
rator divinae domus Antiochi (κουράτωρ των Αντιήχου) Aitherios. Er gehörte zu
den wichtigsten Wirtschafts- und Finanzfunktionären des Byzantinischen Reiches.
Die domus divinae, sehr umfangreiche Wirtschafts- und Finanzunternehmungen mit
Landbesitz in allen Reichsteilen und zahlreichen weiteren ökonomischen Aktivitäten
(Werkstätten, Geldgeschäfte, Verpachtungen usw), hatten in den 60er Jahren des 6.
Jahrhunderts eine sehr große Bedeutung sowohl für die Staatsfinanzen als auch für
die Ausgaben des Hofes und des Kaisers selbst erlangt. In den nächsten Jahrzehnten
spielten diverse Kouratoren wichtige Rollen.96 Vor diesem Hintergrund ist es erstaun-
lich, dass in (scheinbar) repräsentativen neueren Publikationen zur Wirtschaft und
Sozialstruktur der justinianischen Zeit der Rolle der domus divinae und der sie ver-
waltenden curatores kaum gedacht wird.97 Dabei wurde ihnen seit den 70er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts doch ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit gewidmet.98
Der Chef eines solchen ökonomischen Konglomerats hatte mithin nicht nur eine
große ökonomische Macht, sondern auch politischen Einfluss. Aitherios war - nicht
überraschend - auch Senatsmitglied (auch wenn die Bedeutung der Senatoren durch
diverse Maßnahmen Justinians in den 40er Jahren nicht mehr mit derjenigen der
vorhergehenden Zeit verglichen werden kann).99 Der Kirchenhistoriker Euagrios be-
schreibt ihn als ausgesprochen geldgierig und ungerecht.100 Offenbar praktizierte er
genau die Missbräuche, die Justin II. Ende 574 in einem γενικός Λόγος ansprach
(mit deutlichem Bezug auf die Kouratoren der domus dwlnae).101
Bereits im Jahre 560 wurde Aitherios des Umsturzversuchs bezichtigt, konnte
aber einer Anklage entgehen. 565 war er maßgeblich an der Absetzung des Patri-
archen Eutychios beteiligt (was wohl auf ein enges Verhältnis zum greisen Kaiser
schließen lässt). Am 3. Oktober 566 ereilte ihn dann aber sein Schicksal: Angeklagt,
96 Brandes (2002), S. 39-47 mit weiterer Literatur in Anm. 135 auf S. 39-40.
97 Siehe z.B. Bell (2013), der offenbar die Werke von Delmaire nicht kennt; Sarris (2006) und ferner die
Beiträge in den Sammelbänden von Bowden/Lavan/Machado (2004) sowie Bowden/Gutteridge/
Machado (2006).
98 Jedoch in so seltsamen Idiomen wie der französischen und deutschen Sprache, was offenbar einer
umfassenden Kenntnisnahme entgegensteht. Siehe insbesondere die Forschungen von Kaplan (1976);
Kaplan (1981a); Kaplan (1981b); Kaplan (1986); Kaplan (1991); Kaplan (1992); siehe auch den Sammelband
Kaplan (2006), wo die meisten dieser Arbeiten nachgedruckt wurden. Siehe ferner Feissel (1985) und
Delmaire (1989a). An deutscher Literatur ist insbesondere auf His (1896) zu verweisen; siehe auch
Brandes (2002), S. 39-47 mit weiterer Literatur und den einschlägigen Quellen sowie Haldon (2005),
S. 40.
99 Dazu siehe Brandes (2014); speziell zu Aitherios siehe PLREIII, s.n. Aetherius 2, S. 21-22; Delmaire
(1989a), S. 225; Brandes (2002), S. 42 mit Anm. 152,625-626; Kaplan (2006), S. 154.
100 Evagrius Scholasticus, Historia Ecclesiastica V 3 καί τάς τε των ζώντων των τε τεΛευτώντων τάς
ουσίας Ληϊζόμένος όνόματι τής βασιλικής οικίας; vgl. auch Hübner (2007), S. 554.
ιοί N. 164.1 (Dezember 574); vgl. Dölger/Müller (2009), Nr. 32 (S. 14); Brandes (2002), S. 288 mit Anm. 316;
Delmaire (1989a), S. 233; siehe zu solchen Willkürmaßnahmen (meist in einem erbrechtlichen
Zusammenhang) schon N. 17.15 (a. 535); N. 6opr.i (a. 537) und N. 101.3.1.9 (a. 539); vgl. dazu RKOR, Nr.
1061, Nr. 1147 und Nr. 1202 (S. 265, 286 und 298).
 
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