Metadaten

Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0114
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 28 99

hauer, der im Kapitel „Vom Genie" seines Hauptwerks Die Welt als Wille und
Vorstellung auf Ciceros Aristoteles-Zitat in den Tuskulanen eingeht und es auf
die Problemata zurückbezieht, um dann selbst die „dem Genie beigegebene
Melancholie" zu erörtern (WWV II, Schopenhauer 1873, Bd. 3, 436).
N.s Erwähnung der Solon-Anekdote geht vor allem auf das ihm durch eine
eigene altphilologische Forschungsarbeit (De Laertii Diogenis fontibus) gut be-
kannte Werk des Diogenes Laertius zurück: Leben und Meinungen der Philoso-
phen (I, 46). Auch Plutarch erzählt diese Anekdote in seinen Parallelen Lebens-
läufen (Solon 8). Sowohl Diogenes Laertius wie Plutarch heben auf die von
Solon für sein politisches Ziel, die Wiedereroberung von Salamis, adaptierte
dichterische „Convention des Wahnsinns" ab, an die N. erinnert. Diogenes be-
richtet in dem Kapitel über Solon: „Seine größte Tat war die Wiedergewinnung
von Salamis. Da nämlich um dieses, sein Vaterland, Athen und Megara mitei-
nander im Streit lagen, wobei die Athener im Kampfe vielfach im Nachteil blie-
ben, war es zu einem Volksbeschluß gekommen, es solle jeder, der zum Kamp-
fe um Salamis riete, mit dem Tode bestraft werden. Da stellte sich denn Solon
wahnsinnig und stürzte, mit einem Kranze geschmückt, auf den Markt. Dort
ließ er den Athenern durch einen Herold seine auf Salamis bezüglichen Elegien
vorlesen und wußte sie dermaßen aufzustacheln, daß sie den Kampf gegen die
Megarer wieder aufnahmen. So gewannen sie durch Solon den Krieg" (Dioge-
nes Laertius. Aus dem Griechischen übersetzt von Otto Apelt, Philosophische
Bibliothek 53/54, 2. Auflage 1967, S. 25). Dass N. sich an den Bericht des Dioge-
nes Laertius hält, liegt nicht nur wegen seines intensiven Studiums gerade die-
ses Autors nahe; wörtlich übernimmt er von diesem auch die Vorstellung des
„Aufstachelns" (παρώρμησεν).
28, 1-2 bei den Grönländern ein Angekok, bei den Brasilianern ein Paje] Diese
Angaben gehen teils auf das im Kommentar zu M 16 genannte Werk von John
Lubbock, teils auf das Werk von Gustav Roskoff zurück: Das Religionswesen
der rohesten Naturvölker (1880). Ein Angekok ist ein grönländischer Zauber-
priester, der durch ekstatische Rituale Dämonen abwehrt (vgl. Lubbock: 1875,
211); ein Paje ist der Medizinmann südamerikanischer Indianerstämme (vgl.
Lubbock 1875, 212). Bei Roskoff fand N. die genaueren ethnologischen Hinwei-
se auf die ihn interessierenden Methoden zur künstlichen Erzeugung des
Wahnsinns, der zu übermenschlichen Fähigkeiten führt:
„Um die Macht des Zauberns zu erlangen, bedarf es einer gewissen Vorbe-
reitung durch freiwillig aufgelegte Entbehrungen. Cranz' Schilderung dieser
Vorbereitung bei den Grönländern passt dem Wesen nach auf alle der Zauberei
ergebenen Volksstämme. ,Wenn ein Grönländer ein Angekok (Zauberer) wer-
den will, so muss er von den Elementargeistern einen zu seinem Tomgok oder
Familiengeist bekommen. Um das zu erlangen, muss der Grönländer eine Zeit
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften