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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0130
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Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 34-35 115

ner auf dem Glauben beruhenden und von der Hoffnung auf Gnade und Erlö-
sung bestimmten Haltung andererseits geführt. Die am Ende dieses Texts em-
phatisch empfohlene „Übung" entspricht der griechischen Hochschätzung der
„Askesis": Das gute Handeln muss durch Praxis eingeübt werden, wie insbe-
sondere die Peripatetiker betonen. Doch geht es N. gerade nicht um „gutes"
Handeln, sondern um die „Action" an sich. Der an die Forderung der „Übung"
anschließende Passus: „Der dazu gehörige ,Glaube' wird sich schon einstellen"
steht im Gegensatz zur protestantischen Lehre, die den Glauben als das Primä-
re und sogar allein Maßgebende (sola fide) erklärt. N. depotenziert den „Glau-
ben" ironisch zur sekundären Begleiterscheinung der „Action".

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34, 18 Worin wir am feinsten sind} In diesem Text versucht N. das „Ge-
fühl der Macht", für das er sich auch in zahlreichen nachgelassenen Notizen
aus dieser Zeit interessiert und das schließlich in den „Willen zur Macht" über-
geht (vgl. den Kommentar S. 42), als historische Kompensation eines früher
und lange Zeit vorherrschenden „Gefühls der Ohnmacht" zu verstehen. Dass
er aus der Feinheit der Mittel zur Erlangung des Machtgefühls sogar eine „Ge-
schichte der Cultur" abzuleiten versucht, ist der zeitgenössischen Vorliebe für
Kulturgeschichten aller Art geschuldet. Hierzu NK 1/1, 146, 10-12. Die Ge-
schichte der „Cultur" versteht N. in anderen Texten der Morgenröthe als einen
Prozess der Verfeinerung' ursprünglich roher, sogar tierischer Zustände. Vgl.
ΝΚ M 26.

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35, 6 Der Beweis einer Vorschrift.] Mit seiner in mehreren Texten der
Morgenröthe formulierten Kritik an „moralischen Vorschriften" (35, lOf.) zielt
N. zugleich auf die Moral überhaupt, die wesentlich zu einer präskriptiven Mo-
ral geworden ist. Vgl. Μ 21, wo die Befolgung einer „moralischen Vorschrift"
mit der Problematisierung der biblischen „Erfüllung des Gesetzes" korreliert
wird. Zum „Gesetz" als der kodifizierten religiös-moralischen Vorschrift vgl.
besonders M 68 und NK hierzu.
35, 21 Russisch-Amerika] Alaska gehörte noch bis weit ins 19. Jahrhundert zu
Rußland. 1867 wurde dieses Territorium von Rußland an die Vereinigten Staa-
ten von Amerika verkauft.
 
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