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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0136
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Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 39-42 121

wins Werk The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex an (Darwin
1871b). Er setzte sich mit Darwins Lehre auseinander, wenn auch nicht im
Rückgriff auf Darwins Texte selbst, sondern durch sekundäre Vermittlung,
etwa durch die Werke seines Freundes Paul Ree und durch Ernst Haeckels
Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträ-
ge über die Entwickelungslehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe
und Lamarck im Besonderen, 5. Auflage, Berlin 1874. Zu N. und Darwin vgl. die
ausführlichen Kommentare zu Μ 37 und Μ 122, für das Spätwerk NK 6/2, 448-
450. Im Kontext seiner Schrift, in der er die moralische und damit auch die
geistige Autonomie des Menschen sowie den traditionellen Anspruch der Moral
insgesamt aufheben will, problematisiert N. den modernen, noch religiös und
idealistisch geprägten Begriff des „Geistes". Indem er von einer ganz anderen -
animistischen - Auffassung „in der grossen Vorgeschichte der Menschheit" 41,
7 f.) spricht, knüpft er wieder an das schon für frühere Texte herangezogene
Werk von John Lubbock (1875) an: Die Entstehung der Civilisation und der Urzu-
stand des Menschengeschlechtes, erläutert durch das innere und äußere Leben
der Wilden.

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41, 18 Der Hemmschuh.] „Gefühl des Erhabenen" (41, 25). Zur langen Tra-
dition des „Erhabenen" und zu deren großen Bedeutung für Wagner, auf die
N. schon in der Geburt der Tragödie eingeht, vgl. den Überblickskommentar zu
GT in NK 1/1, S. 60-62.

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42, 2 f. Die Verachtung der Ursachen, der Folgen und der Wirk-
lichkeit.] Hier beurteilt N. vom Standpunkt des Realismus (der „Wirklich-
keit") und der modernen Naturwissenschaft aus frühere Kulturstufen, in denen
man an das Eingreifen höherer, dämonischer Mächte glaubte, weil man noch
nicht über die modernen naturwissenschaftlichen Erklärungsmuster von Ursa-
che und Wirkung verfügte. Dies entspricht einer zentralen Argumentation Epi-
kurs, insbesondere in seinem Lehrbrief an Herodotos, und - in Epikurs Nach-
folge - der religionskritisch verschärfenden Darstellung im Lehrgedicht des Lu-
krez De rerum natura (,Von der Natur der Dinge'). Die Problematik einer
unhistorischen Beurteilung zeigt sich besonders deutlich dort, wo N. schreibt,
man gehe „gerade der Ergründung der wahren natürlichen Ursachen aus dem
Wege", weil man „die dämonische Ursache als die Voraussetzung" nehme (42,
 
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