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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0188
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Stellenkommentar Erstes Buch, KSA 3, S. 81-82 173

in seiner persönlichen Bibliothek besaß: Henry Maudsley, Die Zurechnungsfä-
higkeit der Geisteskranken (1875). Dessen Termini „Affective Insanity" und
„maskirte Epilepsie" übernimmt N. in einem Exzerpt (NL 1880/1881, 10[B43],
KSA 9, 421). In Μ 87 greift er nicht nur die „maskirte Epilepsie", sondern auch
die von Maudsley bei bestimmten Formen von Geisteskrankheit diagnostizierte
„Mordmanie" auf. Nachweise in: Brusotti 1997, 392-398.
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82, 14 Luther der grosse Wohlthäter.] Luther wandte sich gegen den
Heiligenkult des Mittelalters: Die Reformatoren - am konsequentesten die Cal-
vinisten - entfernten alle Heiligenbilder aus den Kirchen, weil sie darin eine
Veräußerlichung der Religion und eine Ablenkung vom Wesentlichen des Glau-
bens sahen. Während der ersten Jahrhunderte des Christentums wurden aus-
schließlich Märtyrer als Heilige verehrt. In dieser Frühzeit war die Verehrung
der Heiligen an deren Gräber gebunden, analog zu der Verehrung bedeutender
Toter in der Antike und in anderen Religionen. Später wurde das Leben der
Heiligen in Legenden volkstümlich ausgestaltet, etwa in der mittelalterlichen
Legenda aurea. Die Kirche führte Heiligenfeste und einen Heiligenkalender ein,
sie gab den Heiligen einen festen Platz in der Liturgie; bald waren sie auch
auf einzelne Stände, Berufe, Orte und Kirchen bezogen. Sie sollten mit ihrem
Patronat besondere Schutzbedürfnisse erfüllen und als Vorbilder dienen; im
Spätmittelalter verbanden sich aber trotz der kirchlichen Unterscheidung zwi-
schen Anbetung (adoratio), die allein Gott zukommt, und Verehrung (venera-
tio) immer mehr abergläubische und magische Vorstellungen mit dem Heili-
genkult, dessen Volkstümlichkeit auch die vielen Heiligendarstellungen in der
bildenden Kunst mitbestimmte.
Im Hinblick auf die historische Realität ist die Verbindung der Heiligenver-
ehrung mit der - bereits in M 41-43 thematisierten - vita contemplativa ver-
fehlt, denn es war gerade nicht diese, sondern ein bunt ausgestalteter und bis
zu offiziellen Festen, ja bis zu Jahrmärkten führender Drang nach Fassbarem
und Anschaulichem, welcher die Heiligenverehrung bestimmte. Vgl. auch NL
1880, 4[59], KSA 9, 113. Doch fand N. in Johann Julius Baumanns Handbuch
der Moral folgende Darstellung, die ihm für die mit Anführungszeichen verse-
henen Sätze 82, 28-30 als Grundlage dienten: „Erstens läugnet sie [die Refor-
mation], dass das contemplative Leben höher sei als das active. In der Apologie
der Augsburger Confession XIII ,von den Mönchsgelübden' ist es um nichts
mehr ein Stand der Vollkommenheit, als das Leben des Ackerbauers oder
Schmiedes. Auch diese sind Stände zur Erreichung der Vollkommenheit. Alle
Menschen, in welchem Berufe sie auch stehen, sollen Vollkommenheit erstre-
 
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