228 Morgenröthe
baums" nicht als Sinnbild für diejenigen, die zu Sklaven „herabgedrückt" wer-
den - die Eiche ist seit jeher ein Bild für mächtige Stärke. Zu N.s oft entgleisen-
der Metaphorik vgl. auch die Kritik Erwin Rohdes im Brief an N. vom 24. 3.
1874 anlässlich von UB II (KGB II/4, S. 423, Z. 32-38). Zum engen Zusammen-
hang von Μ 146 mit der in Μ 45 und Μ 429 hergestellten Verbindung von „Er-
kenntniss" und Opfer vgl. NK Μ 45.
147
138, 24 Ursache des „Altruismus".] Dieser Text schließt an die voraus-
gehende Sequenz an. Diese wendet sich gegen das Mitleid, das Schopenhau-
er - wie schon Rousseau - zur Basis der Moral gemacht hatte. Im Zusammen-
hang mit dem Mitleid hatte N. auch schon die „Liebe" zu unterminieren ver-
sucht, so in Μ 145. Nunmehr, in M 147, kommt die eigentliche Stoßrichtung
dieser Strategie zum Vorschein: N. attackiert die „allgemeine Menschen-
liebe" (138, 29 f.) und damit die schon von der Aufklärung des 18. Jahrhun-
derts propagierte Philanthropie. Wie im Hinblick auf die Menschenrechte stellt
sich N., obwohl er sich in Menschliches, Allzumenschliches und dann in der
Morgenröthe programmatisch zur Aufklärung bekennt, gegen zentrale humani-
täre Ideale und Forderungen der Aufklärung sowie gegen den schon in der
Überschrift von M 147 exponierten „Altruismus". Dessen Vordenker im 19. Jahr-
hundert war Auguste Comte mit seiner Formel „vivre pour autrui". Stattdessen
rühmt N. die „göttliche Selbstsucht" (139, 8) - zugleich im Widerspruch gegen
die von Pascal paradigmatisch vertretene Ablehnung des „amour propre,
amour de soi". Das Extrem dieser von Pascal religiös radikalisierten Ablehnung
ist sein Ausspruch „le moi est haissable" („das Ich ist hassenswert"), mit dem
sich N. in der Morgenröthe mehrmals auseinandersetzt.
148
139, 13 Ausblick in die Ferne.] Der Blick in die Ferne, der schon die Rede
von den „entfernteren Zwecken" in M 146 (137, 18) bestimmt, gilt den Wertun-
gen, die hier mehrmals auf das „Werthgefühl" (139, 28; 140, 3) zurückgeführt
werden. Μ 104 handelte von „Werthschätzungen", die in „eigene" und „ange-
nommene" Wertschätzungen zu unterscheiden seien. Noch mehr als derartige
„Werthschätzungen" bringt nunmehr der Begriff des „Werthgefühls" die Sub-
jektivierung aller WertvorStellungen zum Ausdruck. Dies wird zum Ausgangs-
punkt für das von N. hier noch implizit, später explizit vertretene Programm
einer „Umwertung aller Werte" (hierzu: Jochen Schmidt 2012, 11-29). N. über-
baums" nicht als Sinnbild für diejenigen, die zu Sklaven „herabgedrückt" wer-
den - die Eiche ist seit jeher ein Bild für mächtige Stärke. Zu N.s oft entgleisen-
der Metaphorik vgl. auch die Kritik Erwin Rohdes im Brief an N. vom 24. 3.
1874 anlässlich von UB II (KGB II/4, S. 423, Z. 32-38). Zum engen Zusammen-
hang von Μ 146 mit der in Μ 45 und Μ 429 hergestellten Verbindung von „Er-
kenntniss" und Opfer vgl. NK Μ 45.
147
138, 24 Ursache des „Altruismus".] Dieser Text schließt an die voraus-
gehende Sequenz an. Diese wendet sich gegen das Mitleid, das Schopenhau-
er - wie schon Rousseau - zur Basis der Moral gemacht hatte. Im Zusammen-
hang mit dem Mitleid hatte N. auch schon die „Liebe" zu unterminieren ver-
sucht, so in Μ 145. Nunmehr, in M 147, kommt die eigentliche Stoßrichtung
dieser Strategie zum Vorschein: N. attackiert die „allgemeine Menschen-
liebe" (138, 29 f.) und damit die schon von der Aufklärung des 18. Jahrhun-
derts propagierte Philanthropie. Wie im Hinblick auf die Menschenrechte stellt
sich N., obwohl er sich in Menschliches, Allzumenschliches und dann in der
Morgenröthe programmatisch zur Aufklärung bekennt, gegen zentrale humani-
täre Ideale und Forderungen der Aufklärung sowie gegen den schon in der
Überschrift von M 147 exponierten „Altruismus". Dessen Vordenker im 19. Jahr-
hundert war Auguste Comte mit seiner Formel „vivre pour autrui". Stattdessen
rühmt N. die „göttliche Selbstsucht" (139, 8) - zugleich im Widerspruch gegen
die von Pascal paradigmatisch vertretene Ablehnung des „amour propre,
amour de soi". Das Extrem dieser von Pascal religiös radikalisierten Ablehnung
ist sein Ausspruch „le moi est haissable" („das Ich ist hassenswert"), mit dem
sich N. in der Morgenröthe mehrmals auseinandersetzt.
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139, 13 Ausblick in die Ferne.] Der Blick in die Ferne, der schon die Rede
von den „entfernteren Zwecken" in M 146 (137, 18) bestimmt, gilt den Wertun-
gen, die hier mehrmals auf das „Werthgefühl" (139, 28; 140, 3) zurückgeführt
werden. Μ 104 handelte von „Werthschätzungen", die in „eigene" und „ange-
nommene" Wertschätzungen zu unterscheiden seien. Noch mehr als derartige
„Werthschätzungen" bringt nunmehr der Begriff des „Werthgefühls" die Sub-
jektivierung aller WertvorStellungen zum Ausdruck. Dies wird zum Ausgangs-
punkt für das von N. hier noch implizit, später explizit vertretene Programm
einer „Umwertung aller Werte" (hierzu: Jochen Schmidt 2012, 11-29). N. über-