Stellenkommentar Drittes Buch, KSA 3, S. 154 253
schritt einer bürgerlichen Welt dient und auch das Individuum zu freierer
Enfaltung führen sollte. Angesichts der Ausbeutung im frühindustriellen Wirt-
schaftssystem, das viele arbeitende Menschen nicht freier und selbstbestimm-
ter machte, sondern im Gegenteil im Dienste des Kapitals versklavte und sie
gleichzeitig infolge der industriellen, dem Maschinentakt unterworfenen Pro-
duktionsweise ihrer Arbeit entfremdete, geriet allerdings der liberale Arbeits-
begriff in eine Krise und mit ihm auch Hegels Versuch in der Phänomenologie
des Geistes, Arbeit spiritualistisch zu überhöhen und in den Prozess des Welt-
geistes zu integrieren. Marx und Engels verkündeten 1848 im Manifest der Kom-
munistischen Partei, es gehe darum, eine Assoziation zu verwirklichen, „worin
die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller
ist" (Marx/Engels 1959, 482). Die Entlastung der Menschen und der Vervielfälti-
gungseffekt durch maschinelle Produktionsprozesse sollte nicht mehr zur Ka-
pitalanhäufung in den Händen weniger und zu einer noch stärkeren Abhängig-
keit der Arbeitenden führen; sie sollte vielmehr durch gerechter verteilte Ge-
winne, geringere Arbeitszeiten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen
den Arbeitenden zu einem besseren Leben verhelfen. Doch wandte sich Marx
ausdrücklich gegen die Auffassung, dass Nicht-Arbeit grundsätzlich als „Frei-
heit und Glück", Arbeit dagegen bloß wie in den negativen Arbeitsverhältnis-
sen zur Zeit der Sklaverei und Fronarbeit oder in der modernen Ausbeutungs-
wirtschaft als „äußere Zwangsarbeit" erscheint. Vielmehr war er überzeugt, der
Mensch könne durch eine unter guten gesellschaftlichen Bedingungen geleis-
tete Arbeit seine Selbstverwirklichung finden.
Das Selbstbewusstsein, das sich mit dem Begriff der Arbeit verbinden
konnte und sich durch - wie N. sagt - „Lobredner der Arbeit" artikuliert, deckt
ein politisches Spektrum von links bis rechts ab. In den frühen Berufsvereinen
und Gewerkschaften setzte sich noch z. T. der auf der Handwerkstradition beru-
hende Stolz auf das spezifische Können und die daraus resultierende Anerken-
nung in einer vertrauten Umwelt fort; die Erfahrung der Ausbeutung und das
Elend der Fabrikarbeiter, das auch Schopenhauer empörte (vgl. NK M 132) und
das die sozialistischen und kommunistischen Reaktionen hervorrief, drückte
sich in einem Bewusstsein von revolutionärem Machtpotential aus, so in Georg
Herweghs Bundeslied für den ,Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein' (1864;
Herwegh 1877, 131 ff.), das nach der Darstellung des Elends in die berühmten
Verse mündet:
„Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne Deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn Dein starker Arm es will" (Herwegh 1877, 132).
schritt einer bürgerlichen Welt dient und auch das Individuum zu freierer
Enfaltung führen sollte. Angesichts der Ausbeutung im frühindustriellen Wirt-
schaftssystem, das viele arbeitende Menschen nicht freier und selbstbestimm-
ter machte, sondern im Gegenteil im Dienste des Kapitals versklavte und sie
gleichzeitig infolge der industriellen, dem Maschinentakt unterworfenen Pro-
duktionsweise ihrer Arbeit entfremdete, geriet allerdings der liberale Arbeits-
begriff in eine Krise und mit ihm auch Hegels Versuch in der Phänomenologie
des Geistes, Arbeit spiritualistisch zu überhöhen und in den Prozess des Welt-
geistes zu integrieren. Marx und Engels verkündeten 1848 im Manifest der Kom-
munistischen Partei, es gehe darum, eine Assoziation zu verwirklichen, „worin
die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller
ist" (Marx/Engels 1959, 482). Die Entlastung der Menschen und der Vervielfälti-
gungseffekt durch maschinelle Produktionsprozesse sollte nicht mehr zur Ka-
pitalanhäufung in den Händen weniger und zu einer noch stärkeren Abhängig-
keit der Arbeitenden führen; sie sollte vielmehr durch gerechter verteilte Ge-
winne, geringere Arbeitszeiten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen
den Arbeitenden zu einem besseren Leben verhelfen. Doch wandte sich Marx
ausdrücklich gegen die Auffassung, dass Nicht-Arbeit grundsätzlich als „Frei-
heit und Glück", Arbeit dagegen bloß wie in den negativen Arbeitsverhältnis-
sen zur Zeit der Sklaverei und Fronarbeit oder in der modernen Ausbeutungs-
wirtschaft als „äußere Zwangsarbeit" erscheint. Vielmehr war er überzeugt, der
Mensch könne durch eine unter guten gesellschaftlichen Bedingungen geleis-
tete Arbeit seine Selbstverwirklichung finden.
Das Selbstbewusstsein, das sich mit dem Begriff der Arbeit verbinden
konnte und sich durch - wie N. sagt - „Lobredner der Arbeit" artikuliert, deckt
ein politisches Spektrum von links bis rechts ab. In den frühen Berufsvereinen
und Gewerkschaften setzte sich noch z. T. der auf der Handwerkstradition beru-
hende Stolz auf das spezifische Können und die daraus resultierende Anerken-
nung in einer vertrauten Umwelt fort; die Erfahrung der Ausbeutung und das
Elend der Fabrikarbeiter, das auch Schopenhauer empörte (vgl. NK M 132) und
das die sozialistischen und kommunistischen Reaktionen hervorrief, drückte
sich in einem Bewusstsein von revolutionärem Machtpotential aus, so in Georg
Herweghs Bundeslied für den ,Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein' (1864;
Herwegh 1877, 131 ff.), das nach der Darstellung des Elends in die berühmten
Verse mündet:
„Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne Deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn Dein starker Arm es will" (Herwegh 1877, 132).