260 Morgenröthe
pitalistischen Wirtschaftssystems. Bereits 1811 formulierte Heinrich Luden in
seinem Handbuch der Staatsweisheit oder der Politik folgende Analyse: „Der
Capitalist mißbraucht leicht die Menschen, über welche ihm ihre Armut die
Herrschaft gibt. Immer weiter und weiter treibt er seine Unternehmungen; der
Haufe, der für ihn arbeitet, wird größer und größer; der bestimmte und gewisse
Lohn zieht diejenigen an, die desselben bedürfen; sie verstehen sich zu einer
bestimmten Arbeit, erlernen einen Handgriff vollkommen, verlernen aber je-
den andern Gebrauch ihrer Kräfte; dadurch verbessern sich die Producte ihrer
Tätigkeit, und bereichern den Unternehmer, während sie selbst arm bleiben.
Er, der Capitalist, der ihrer nun gewiß ist, wird karger, verlangt mehr und ge-
währt weniger; sie, die Arbeiter, sind gezwungen, ihm nachzugeben, um das
kümmerliche Leben zu erhalten. Nun stirbt der Capitalist, oder durch irgend
eine Veranlassung geht die Manufaktur ein: was wird nun aus den Arbeitern?
Sie sind verloren für den Staat und für sich. Die Armut zwingt sie zum Betteln;
die Not verleitet sie zum Verbrechen." (Luden 1811, Bd. 1, 285, Anm. 1)
In N.s Zeit ließen sich auch konservative Schriftsteller wie der ihm auf-
grund seiner erfolgreichen Culturgeschichtlichen Novellen wohlbekannte Wil-
helm Heinrich Riehl über die Bettler aus. In seinem Buch Die bürgerliche Gesell-
schaft kritisiert Riehl einerseits die Nobilitierungsambitionen des Bürgertums,
die auch für N. charakteristisch sind (Riehl 1851, 268; vgl. Μ 199 und M 201
sowie die Kommentare). Andererseits meint Riehl aber auch, das soziale Elend
beginne nicht schon, wenn der „Hunger in den Eingeweiden zu brennen" an-
fängt, sondern erst dann, wenn der Erwerb nicht mehr ausreiche, die Güter zu
erlangen, welche durch die gegebene soziale Stellung das „geringste Maß des
Bedürfnisses" ausmachen. Denn der Bettler könne mit seiner Portion Kartoffeln
gleichsam ein Fürst sein, während „der Fürst aber, wenn er bloß eine solche
Portion Kartoffeln hätte, [...] weit ärmer als der ärmste Bettler" wäre (Riehl
1851, 286 f.). N. seinerseits bejahte sogar die Sklaverei (vgl. NK M 132).
186
160, 8 Geschäftsleute .] Indem N. das „Geschäft" als das „grösste Vorur-
theil" der Geschäftsleute bezeichnet, nimmt er das im Untertitel der Morgen-
röthe exponierte übergeordnete Thema des „Vorurtheils" wieder auf. Zugleich
aber zeigt sich hier, wie er den Begriff des Vorurteils überdehnt. Vgl. auch M
203 (179, 26 f.): „Geld macht jetzt das grosse oder kleine moralische Vorurtheil".
187
160, 14 Aus einer möglichen Zukunft.] N. greift hier die auch in anderen
Texten der Morgenröthe problematisierten Vorstellungen vom „Verbrecher" und
pitalistischen Wirtschaftssystems. Bereits 1811 formulierte Heinrich Luden in
seinem Handbuch der Staatsweisheit oder der Politik folgende Analyse: „Der
Capitalist mißbraucht leicht die Menschen, über welche ihm ihre Armut die
Herrschaft gibt. Immer weiter und weiter treibt er seine Unternehmungen; der
Haufe, der für ihn arbeitet, wird größer und größer; der bestimmte und gewisse
Lohn zieht diejenigen an, die desselben bedürfen; sie verstehen sich zu einer
bestimmten Arbeit, erlernen einen Handgriff vollkommen, verlernen aber je-
den andern Gebrauch ihrer Kräfte; dadurch verbessern sich die Producte ihrer
Tätigkeit, und bereichern den Unternehmer, während sie selbst arm bleiben.
Er, der Capitalist, der ihrer nun gewiß ist, wird karger, verlangt mehr und ge-
währt weniger; sie, die Arbeiter, sind gezwungen, ihm nachzugeben, um das
kümmerliche Leben zu erhalten. Nun stirbt der Capitalist, oder durch irgend
eine Veranlassung geht die Manufaktur ein: was wird nun aus den Arbeitern?
Sie sind verloren für den Staat und für sich. Die Armut zwingt sie zum Betteln;
die Not verleitet sie zum Verbrechen." (Luden 1811, Bd. 1, 285, Anm. 1)
In N.s Zeit ließen sich auch konservative Schriftsteller wie der ihm auf-
grund seiner erfolgreichen Culturgeschichtlichen Novellen wohlbekannte Wil-
helm Heinrich Riehl über die Bettler aus. In seinem Buch Die bürgerliche Gesell-
schaft kritisiert Riehl einerseits die Nobilitierungsambitionen des Bürgertums,
die auch für N. charakteristisch sind (Riehl 1851, 268; vgl. Μ 199 und M 201
sowie die Kommentare). Andererseits meint Riehl aber auch, das soziale Elend
beginne nicht schon, wenn der „Hunger in den Eingeweiden zu brennen" an-
fängt, sondern erst dann, wenn der Erwerb nicht mehr ausreiche, die Güter zu
erlangen, welche durch die gegebene soziale Stellung das „geringste Maß des
Bedürfnisses" ausmachen. Denn der Bettler könne mit seiner Portion Kartoffeln
gleichsam ein Fürst sein, während „der Fürst aber, wenn er bloß eine solche
Portion Kartoffeln hätte, [...] weit ärmer als der ärmste Bettler" wäre (Riehl
1851, 286 f.). N. seinerseits bejahte sogar die Sklaverei (vgl. NK M 132).
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160, 8 Geschäftsleute .] Indem N. das „Geschäft" als das „grösste Vorur-
theil" der Geschäftsleute bezeichnet, nimmt er das im Untertitel der Morgen-
röthe exponierte übergeordnete Thema des „Vorurtheils" wieder auf. Zugleich
aber zeigt sich hier, wie er den Begriff des Vorurteils überdehnt. Vgl. auch M
203 (179, 26 f.): „Geld macht jetzt das grosse oder kleine moralische Vorurtheil".
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160, 14 Aus einer möglichen Zukunft.] N. greift hier die auch in anderen
Texten der Morgenröthe problematisierten Vorstellungen vom „Verbrecher" und