274 Morgenröthe
römischen Rechts im Mittelalter (2. Auflage in 7 Bänden 1834-1851). N.s an-
schließende Bemerkung über die „Historiker und Romantiker": „ihre allgemei-
ne Bemühung gieng dahin, ältere, primitive [im Wortsinn: ursprüngliche] Emp-
findungen und namentlich das Christenthum, die Volksseele, Volkssage, Volks-
sprache [...] zu Ehren zu bringen" (171, 16-20), wiederholt die kritische
Diagnose, die Heine in seiner zu N.s Lektüren gehörenden Schrift Die Romanti-
sche Schule mit großer Wirkungskraft gestellt hatte. Mit der Erwähnung der
„Volkssage" und der „Volkssprache" denkt N. zudem an die Brüder Grimm.
Stark beeinflusst von der Heidelberger Romantik, sammelten sie Volksmär-
chen, die sie später (zuerst 1812 und 1815) in ihren berühmten Kinder- und
Hausmärchen veröffentlichten. Der eine der beiden Brüder, Jacob Grimm, gab
ferner die Deutschen Sagen (2 Bde., 1816-18) heraus, 1828 die Deutschen Rechts-
alterthümer, 1835 eine Deutsche Mythologie, 1848 eine Geschichte der deutschen
Sprache (2 Bde., 1848). Sein Bruder Wilhelm, dem die volkstümliche und kind-
gerechte Stilisierung der Kinder- und Hausmärchen zu verdanken ist, gab 1829
Die deutsche Heldensage heraus. Beide Brüder begründeten das Deutsche Wör-
terbuch, ein sprachgeschichtliches Großunternehmen, dessen erste Bände sie
noch selbst erarbeiteten. Wie N.s Ausleihzettel aus der Basler Bibliothek und
auch manche Spuren in seinen Schriften zeigen, benutzte er das Deutsche Wör-
terbuch der Brüder Grimm; wie Heine vermeidet er es zwar, diese beiden gro-
ßen Gründerfiguren namentlich in die Kritik an der Romantik einzubeziehen,
doch sind sie mit der „Volkssage" und „Volkssprache" implizit mitgemeint.
Die Erwähnung der romantischen Hinwendung zum „Inderthum" zielt vor
allem auf die Brüder Schlegel. Friedrich Schlegel (1772-1829) hatte sich mit
Sanskritstudien beschäftigt, aus denen 1808 sein Werk Über die Sprache und
Weisheit der Indier hervorging; damit trug er zur Entstehung der Indologie und
der vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaften bei. Sein Bruder
August Wilhelm Schlegel (1767-1845) begründete 1819 als Professor an der Uni-
versität Bonn das Studium der altindischen Philologie. Er gab die Fachzeit-
schrift Indische Bibliothek heraus und edierte u. a. die Bhagavadgita und das
Ramajana. Heine hatte bei A. W. Schlegel in Bonn studiert und machte den
geistigen ,Vatermord' an ihm zu einer großen ,Nummer' in seiner Romantischen
Schule. In dieser attackierte er auch Friedrich Schlegel aufgrund von dessen
späteren antiaufklärerischen und klerikalen Tendenzen. In seiner Geburt der
Tragödie folgte N. sehr weitgehend den aufklärungsfeindlichen Ausführungen
A. W. Schlegels in dessen noch lange (auch für Wagner) einflussreichen Vorle-
sungen über dramatische Kunst und Literatur. Vor allem adaptierte N. die nega-
tive Charakterisierung des Euripides als eines Aufklärers, mit der A. W. Schle-
gel seiner eigenen Aussage zufolge eine paradigmatische Aufklärungskritik in-
tendierte. In mehrfacher Hinsicht also arbeitet er in der Morgenröthe mit seiner
römischen Rechts im Mittelalter (2. Auflage in 7 Bänden 1834-1851). N.s an-
schließende Bemerkung über die „Historiker und Romantiker": „ihre allgemei-
ne Bemühung gieng dahin, ältere, primitive [im Wortsinn: ursprüngliche] Emp-
findungen und namentlich das Christenthum, die Volksseele, Volkssage, Volks-
sprache [...] zu Ehren zu bringen" (171, 16-20), wiederholt die kritische
Diagnose, die Heine in seiner zu N.s Lektüren gehörenden Schrift Die Romanti-
sche Schule mit großer Wirkungskraft gestellt hatte. Mit der Erwähnung der
„Volkssage" und der „Volkssprache" denkt N. zudem an die Brüder Grimm.
Stark beeinflusst von der Heidelberger Romantik, sammelten sie Volksmär-
chen, die sie später (zuerst 1812 und 1815) in ihren berühmten Kinder- und
Hausmärchen veröffentlichten. Der eine der beiden Brüder, Jacob Grimm, gab
ferner die Deutschen Sagen (2 Bde., 1816-18) heraus, 1828 die Deutschen Rechts-
alterthümer, 1835 eine Deutsche Mythologie, 1848 eine Geschichte der deutschen
Sprache (2 Bde., 1848). Sein Bruder Wilhelm, dem die volkstümliche und kind-
gerechte Stilisierung der Kinder- und Hausmärchen zu verdanken ist, gab 1829
Die deutsche Heldensage heraus. Beide Brüder begründeten das Deutsche Wör-
terbuch, ein sprachgeschichtliches Großunternehmen, dessen erste Bände sie
noch selbst erarbeiteten. Wie N.s Ausleihzettel aus der Basler Bibliothek und
auch manche Spuren in seinen Schriften zeigen, benutzte er das Deutsche Wör-
terbuch der Brüder Grimm; wie Heine vermeidet er es zwar, diese beiden gro-
ßen Gründerfiguren namentlich in die Kritik an der Romantik einzubeziehen,
doch sind sie mit der „Volkssage" und „Volkssprache" implizit mitgemeint.
Die Erwähnung der romantischen Hinwendung zum „Inderthum" zielt vor
allem auf die Brüder Schlegel. Friedrich Schlegel (1772-1829) hatte sich mit
Sanskritstudien beschäftigt, aus denen 1808 sein Werk Über die Sprache und
Weisheit der Indier hervorging; damit trug er zur Entstehung der Indologie und
der vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaften bei. Sein Bruder
August Wilhelm Schlegel (1767-1845) begründete 1819 als Professor an der Uni-
versität Bonn das Studium der altindischen Philologie. Er gab die Fachzeit-
schrift Indische Bibliothek heraus und edierte u. a. die Bhagavadgita und das
Ramajana. Heine hatte bei A. W. Schlegel in Bonn studiert und machte den
geistigen ,Vatermord' an ihm zu einer großen ,Nummer' in seiner Romantischen
Schule. In dieser attackierte er auch Friedrich Schlegel aufgrund von dessen
späteren antiaufklärerischen und klerikalen Tendenzen. In seiner Geburt der
Tragödie folgte N. sehr weitgehend den aufklärungsfeindlichen Ausführungen
A. W. Schlegels in dessen noch lange (auch für Wagner) einflussreichen Vorle-
sungen über dramatische Kunst und Literatur. Vor allem adaptierte N. die nega-
tive Charakterisierung des Euripides als eines Aufklärers, mit der A. W. Schle-
gel seiner eigenen Aussage zufolge eine paradigmatische Aufklärungskritik in-
tendierte. In mehrfacher Hinsicht also arbeitet er in der Morgenröthe mit seiner