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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0314
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Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 194-196 299

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195, 21 Das gefürchtete Auge.] In diesem Text über die Furcht vor der
Entdeckung des „kleinen Betrugs", der „unschuldigen Lust an sich selber
oder zum Effect-machen" (195, 23-26), gibt N. eine seiner aufschlussreichen
Selbstdiagnosen. Besonders die oftmals problematische Methode seiner Apho-
rismen-Sammlungen reflektiert der Hinweis auf den „Alltags-Gedanke[n], den
sie dehnen, kürzen, färben, einwickeln, würzen mussten, um Etwas aus ihm
zu machen" (196, 4 f.).

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196, 13 f. Das „Erhebende" am Unglück des Nächsten.] In der Text-
sequenz Μ 132 bis Μ 146 lehnt N. das „Mitleid" als Grundlage der Moral ab, zu
der es Schopenhauer - ähnlich wie vor ihm schon Rousseau - erklärt hatte. In
Μ 224 greift N. das Thema des Mitleids nochmals auf, um es aus der Psycholo-
gie der „Mitleidigen" zu desavouieren. Dabei ist schon die Voraussetzung frag-
würdig: N. behauptet, dass die Mitleidigen dem Unglücklichen sein Unglück
vor Augen führen; und dies sogar, um sich „einen guten Nachmittag" zu ma-
chen. Dem als moralischem Affekt geltenden Mitleid wird so ein unmoralischer
Antrieb unterstellt.
225
196, 20 Mittel, um schnell verachtet zu werden.] N. charakterisiert
hier die gesellschaftliche Wirkung des Menschentypus, der als ,Schwätzer' gilt.
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196, 29 Vom Verkehre mit Celebritäten.] Mit dem Stichwort „großer
Mann" (196, 30) erinnert N. auch an seinen eigenen früheren Kult des „Ge-
nies", des „Helden" und der „Größe" in der Geburt der Tragödie und in der
vierten der Unzeitgemäßen Betrachtungen: Richard Wagner in Bayreuth. In der
schon im Zeichen aufklärerischer Desillusionierung und Skepsis stehenden
und bereits mit einem entsprechenden Titel versehenen Aphorismensammlung
Menschliches, Allzumenschliches widerruft er diesen Kult, der sich für ihn maß-
geblich auf Wagner und Schopenhauer bezog. Er war aber auch von einer auf
die Nivellierungstendenzen der modernen Zivilisation reagierenden Heroenver-
ehrung mitbestimmt, wie sie etwa Carlyle und Grabbe repräsentierten, die bei-
 
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