Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 227-229 337
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228, 16 Gastfreundschaft.] Schon aus den ältesten Darstellungen von
Gastfreundschaft in Homers Ilias und Odyssee geht das Gegenteil dessen her-
vor, was N. hier behauptet, wenn er lediglich Feinde zu Adressaten der Gast-
freundschaft erklärt.
320
228, 22 Vom Wetter.] Mit dem „moralischen Wetter" am Schluss des Textes
meint N. ein in der Wertung der „Despoten" ,moralisches', d. h. ihren Herr-
schaftsinteressen entsprechendes ,Wetter'. „Neuerungssüchtiges" (228, 24) Ver-
halten wäre der Stabilität ihrer Herrschaft nicht günstig. Den etwas weit herge-
holten Hintergrund bildet der griechische Begriff des νεωτερίζειν: „neuerungs-
süchtig sein", der auch die Bedeutung „auf Umsturz sinnen" hat. In einem
nachgelassenen Notat von Ende 1880 spielt N. direkt darauf an, indem er die
antiken Griechen „höchst vorsichtig gegen die Neuerung" nennt (7[198], KSA
9, 358).
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229, 2 Gefahr in der Unschuld.] In 229, 21 f. wählt N. das Geschehen im
Philoktet-Drama des Sophokles, um zu illustrieren, dass „der Unschuldige als
der süsseste Köder zu den ganz gefährlichen und verruchten Fällen" verwendet
werden kann. Zum Hintergrund der Handlung vgl. NK Μ 157. Weil Philoktet
den Odysseus hasst, wendet dieser eine verwerfliche List an, um ihn von der
Insel Lemnos nach Troja zu bringen, wo der Krieg mithilfe seines Bogens ge-
wonnen werden soll. Er nimmt den jungen Neoptolemos, den Sohn des Achil-
leus mit, der das Vertrauen des verbitterten Philoktet gewinnen und ihn über-
reden soll, mit ihm auf ein Schiff zu gehen. Odysseus entwirft die Intrige, mit
der Neoptolemos den Philoktet täuschen soll: Er solle ihm erzählen, dass auch
er sich mit den Griechen überworfen habe, weil sie ihn um die Waffen seines
Vaters Achilleus betrogen hätten; deshalb wolle er nun heim nach Griechen-
land fahren, und er sei bereit, Philoktet mitzunehmen. Der Plan des Odysseus
sah vor, dass Philoktet, sobald er an Bord des Schiffes sei, dort überwältigt
und nach Troja gebracht werden sollte. Der Plan scheint zunächst erfolgreich:
Philoktet fasst Vertrauen zu dem jungen Neoptolemos, der - in N.s Worten -
als „Köder" dienen soll; aber Neoptolemos leidet unter dem Betrug und sagt,
da ihn sein schlechtes Gewissen quält, schließlich die Wahrheit. So scheitert
die Intrige und Philoktet weigert sich, mit nach Troja zu fahren. Doch dann
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228, 16 Gastfreundschaft.] Schon aus den ältesten Darstellungen von
Gastfreundschaft in Homers Ilias und Odyssee geht das Gegenteil dessen her-
vor, was N. hier behauptet, wenn er lediglich Feinde zu Adressaten der Gast-
freundschaft erklärt.
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228, 22 Vom Wetter.] Mit dem „moralischen Wetter" am Schluss des Textes
meint N. ein in der Wertung der „Despoten" ,moralisches', d. h. ihren Herr-
schaftsinteressen entsprechendes ,Wetter'. „Neuerungssüchtiges" (228, 24) Ver-
halten wäre der Stabilität ihrer Herrschaft nicht günstig. Den etwas weit herge-
holten Hintergrund bildet der griechische Begriff des νεωτερίζειν: „neuerungs-
süchtig sein", der auch die Bedeutung „auf Umsturz sinnen" hat. In einem
nachgelassenen Notat von Ende 1880 spielt N. direkt darauf an, indem er die
antiken Griechen „höchst vorsichtig gegen die Neuerung" nennt (7[198], KSA
9, 358).
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229, 2 Gefahr in der Unschuld.] In 229, 21 f. wählt N. das Geschehen im
Philoktet-Drama des Sophokles, um zu illustrieren, dass „der Unschuldige als
der süsseste Köder zu den ganz gefährlichen und verruchten Fällen" verwendet
werden kann. Zum Hintergrund der Handlung vgl. NK Μ 157. Weil Philoktet
den Odysseus hasst, wendet dieser eine verwerfliche List an, um ihn von der
Insel Lemnos nach Troja zu bringen, wo der Krieg mithilfe seines Bogens ge-
wonnen werden soll. Er nimmt den jungen Neoptolemos, den Sohn des Achil-
leus mit, der das Vertrauen des verbitterten Philoktet gewinnen und ihn über-
reden soll, mit ihm auf ein Schiff zu gehen. Odysseus entwirft die Intrige, mit
der Neoptolemos den Philoktet täuschen soll: Er solle ihm erzählen, dass auch
er sich mit den Griechen überworfen habe, weil sie ihn um die Waffen seines
Vaters Achilleus betrogen hätten; deshalb wolle er nun heim nach Griechen-
land fahren, und er sei bereit, Philoktet mitzunehmen. Der Plan des Odysseus
sah vor, dass Philoktet, sobald er an Bord des Schiffes sei, dort überwältigt
und nach Troja gebracht werden sollte. Der Plan scheint zunächst erfolgreich:
Philoktet fasst Vertrauen zu dem jungen Neoptolemos, der - in N.s Worten -
als „Köder" dienen soll; aber Neoptolemos leidet unter dem Betrug und sagt,
da ihn sein schlechtes Gewissen quält, schließlich die Wahrheit. So scheitert
die Intrige und Philoktet weigert sich, mit nach Troja zu fahren. Doch dann