Stellenkommentar Viertes Buch, KSA 3, S. 234-236 343
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235, 17 „Natürlich".] Eine Anspielung auf Wagner, den N. oft als Schau-
spieler charakterisiert, am meisten in der späten Schrift Der Fall Wagner.
338
235, 23 Ersatz- Gewissen.] Das „Gewissen", das N.s Freund Paul Ree in
einer eigenen moralkritischen Schrift zum Thema machte (vgl. den Überblicks-
kommentar zu den „Quellen", S. 12), erscheint hier als manipulierbar bis hin
zum Auffinden eines entlastenden „Ersatz-Gewissens". Kant bezeichnete das
Gewissen als den „inneren Gerichtshof": als unumstößliche und unverrückba-
re Instanz der Selbstbeurteilung, während Ree und N. von der Entstehung des
Gewissens handeln, um es zu historisieren und damit zu relativieren.
339
236, 2 Verwandlung der Pflichten.] N.s Reflexionen über moralische
Vorstellungen in der Morgenröthe schließen oft die Beobachtung eines Wandels
ein. Dadurch erscheinen moralische Vorstellungen und Empfindungen nicht
mehr als zeitlos gültig, vielmehr als historisch und psychologisch relativierbar.
Seit der Antike ist die „Pflicht" (καθήκον, officium) ein maßstabbildender mo-
ralischer Begriff (vgl. NK M 131). Bei Kant findet er in Gestalt des Sittengesetzes
bzw. des kategorischen Imperativs seine stärkste moderne Ausprägung. N. wi-
derspricht dem von Kant grundsätzlich angenommenen Antagonismus von
„Pflicht" und „Neigung" (236, 5-7). Obwohl ihn schon Schiller in seiner Ab-
handlung Über Anmut und Würde im Hinblick auf sein Konzept der „schönen
Seele" relativiert hatte, lebte er in dem gerade von Schiller immer wieder the-
matisierten Konflikt von „Sittlichkeit" und „Sinnlichkeit" fort. N. historisiert
den Antagonismus. Auch substituiert er den zunächst von ihm noch verwende-
ten Begriff der „Neigung" verstärkend durch denjenigen der „Lust" (236, 9;
236, 12). Vor allem korreliert er ihn, wie schon in M 112, mit dem Begriff des
„Rechts" (236, 5), um beide unter dem Gesichtspunkt der „Macht" (236, 10)
als Variablen darzustellen. Diese Beziehung von Pflicht und Recht auf (sich
ändernde) Machtverhältnisse lag Kant noch fern; in M 112 ist sie zentral. Zu
den „Quietisten (236, 11) vgl. Μ 192 und den Kommentar zu „Frau von Guyon".
340
236, 20 Der Augenschein ist gegen den Historiker.] N. variiert hier
ein schon in M 253 traktiertes Thema. In M 307 heißt es dagegen: „Alle Histori-
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235, 17 „Natürlich".] Eine Anspielung auf Wagner, den N. oft als Schau-
spieler charakterisiert, am meisten in der späten Schrift Der Fall Wagner.
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235, 23 Ersatz- Gewissen.] Das „Gewissen", das N.s Freund Paul Ree in
einer eigenen moralkritischen Schrift zum Thema machte (vgl. den Überblicks-
kommentar zu den „Quellen", S. 12), erscheint hier als manipulierbar bis hin
zum Auffinden eines entlastenden „Ersatz-Gewissens". Kant bezeichnete das
Gewissen als den „inneren Gerichtshof": als unumstößliche und unverrückba-
re Instanz der Selbstbeurteilung, während Ree und N. von der Entstehung des
Gewissens handeln, um es zu historisieren und damit zu relativieren.
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236, 2 Verwandlung der Pflichten.] N.s Reflexionen über moralische
Vorstellungen in der Morgenröthe schließen oft die Beobachtung eines Wandels
ein. Dadurch erscheinen moralische Vorstellungen und Empfindungen nicht
mehr als zeitlos gültig, vielmehr als historisch und psychologisch relativierbar.
Seit der Antike ist die „Pflicht" (καθήκον, officium) ein maßstabbildender mo-
ralischer Begriff (vgl. NK M 131). Bei Kant findet er in Gestalt des Sittengesetzes
bzw. des kategorischen Imperativs seine stärkste moderne Ausprägung. N. wi-
derspricht dem von Kant grundsätzlich angenommenen Antagonismus von
„Pflicht" und „Neigung" (236, 5-7). Obwohl ihn schon Schiller in seiner Ab-
handlung Über Anmut und Würde im Hinblick auf sein Konzept der „schönen
Seele" relativiert hatte, lebte er in dem gerade von Schiller immer wieder the-
matisierten Konflikt von „Sittlichkeit" und „Sinnlichkeit" fort. N. historisiert
den Antagonismus. Auch substituiert er den zunächst von ihm noch verwende-
ten Begriff der „Neigung" verstärkend durch denjenigen der „Lust" (236, 9;
236, 12). Vor allem korreliert er ihn, wie schon in M 112, mit dem Begriff des
„Rechts" (236, 5), um beide unter dem Gesichtspunkt der „Macht" (236, 10)
als Variablen darzustellen. Diese Beziehung von Pflicht und Recht auf (sich
ändernde) Machtverhältnisse lag Kant noch fern; in M 112 ist sie zentral. Zu
den „Quietisten (236, 11) vgl. Μ 192 und den Kommentar zu „Frau von Guyon".
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236, 20 Der Augenschein ist gegen den Historiker.] N. variiert hier
ein schon in M 253 traktiertes Thema. In M 307 heißt es dagegen: „Alle Histori-