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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0359
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344 Morgenröthe

ker erzählen von Dingen, die nie existirt haben, äusser in der Vorstellung".
Den „Schein" und damit auch den „Augenschein" hinterfragt N. in zahlreichen
Texten, so auch wieder in Μ 361, Μ 365, Μ 367. Im gleichen Zusammenhang
steht die Thematisierung des „Verkennens" (Μ 341, Μ 342, Μ 368). Auch damit
stellt sich N. in die Tradition der Moralistik, insbesondere Graciäns und La
Rochefoucaulds.
341
236, 26 Vortheil im Verkennen.) Im Gegensatz zu der seit der Antike viel-
fach erhobenen und von N. sonst gerne übernommenen Forderung der Selbst-
erkenntnis erscheint hier der unbewusste Selbstbetrug, der im „Verkennen"
stattfindet, aus einer verschobenen Perspektive als psychologisch nützlich.
342
237, 2 Nicht zu verwechseln!] Andere Formen des Verkennens reflektiert
N. in den beiden vorherigen Aphorismen. Vgl. auch M 368: „Grund vieler
Verkennung".
343
237, 7 Angeblich moralisch.] In diesem Text variiert N. ein altes Motiv:
dass nur aus dem Leiden, das er ähnlich wie Pascal zu einem geistig-seelischen
Leiden an sich selbst macht, wahre Erkenntnis entsteht. Aischylos hat die For-
mel πάθει μάθος („durch Leiden lernen") geprägt (Agamemnon, V. 170). Die
am Ende vergleichend genannten „Säulenheiligen" („Styliten", von griechisch
„stylos", „Säule") repräsentieren eine Extremform des christlichen Mönch-
tums, die vom 4. bis zum 6. Jahrhundert in der östlichen Kirche beheimatet
war. Als Einsiedler verbrachten sie ihr Leben auf einer Säule, um Gott näher
zu sein. Das Stehen konnte als asketische Übung bis zur völligen Erschöpfung
reichen. Die Säulenheiligen hatten, wie schon diese Bezeichnung sagt, den Ruf
besonderer Heiligkeit; Wallfahrer suchten sie auf und als Prediger gewannen
sie Einfluss.
344
237, 18 Feinheit im Fehlgreifen.] Die einleitende Bemerkung über Ho-
mer, der „wie man sagt, bisweilen geschlafen hat", geht auf die Ars poetica
 
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