Metadaten

Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0485
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
470 Idyllen aus Messina

(KSA 3, 639-651), die diese Fassung von FW als „Anhang" abschließen (und
ihr damit insgesamt einen lyrischen Rahmen verleihen). Hinzu kommen die in
der 1886 veröffentlichten Schrift Jenseits von Gut und Böse enthaltenen Gedich-
te Ist das noch deutsch? ... (KSA 5, 204, 17-29) und Aus hohen Bergen, welches
den „Nachgesang" zu JGB bildet (KSA 5, 241-243), ferner das aus zwei Gedich-
ten bestehende „Nachspiel" Unter Freunden zur 1886 erschienenen Neuausga-
be von MA I (KSA 2, 365 f.) sowie das bekannte ,Venedig-Gedicht' An der Brücke
stand ..., das N. in Ecce homo (KSA 6, 291, 15-26 u. NK hierzu) platziert hat.
Einen Sonderfall bilden die lyrischen Einlagen' des Zarathustra, darunter
die Gedichte des „Zauberers" (KSA 4, 313, 18-317, 5 u. 371, 8-374, 20) und des
„Wanderers" (KSA 4, 380-385), die allerdings nur im Privatdruck von Za IV
erschienen und später in DD eingegangen sind, und das besonders prominente
,Mitternachts-Lied' Oh Mensch! Gieb Acht! aus Za III (KSA 4, 285,20-286, 17).
Um einen Sonderfall handelt es sich bei den Za-Gedichten deshalb, weil im
Zarathustra die Grenzen zwischen lyrischer Dichtung und ,philosophischer'
Prosa vollends zerfließen und N. selbst ganze Kapitel als dithyrambische ,Ge-
sänge' („Lieder") Zarathustras verstanden wissen wollte, mithin als „Poesie",
wie er in EH schreibt (KSA 6, 305, 5). Groddeck 1991b, 171 argumentiert vor
diesem Hintergrund dafür, den ganzen Za „als ,Gedicht' in Langversen" zu ver-
stehen.
Sieht man einmal von der Sonderfrage nach dem poetischen Status von Za
ab, der in unterschiedlichste Gattungstraditionen eingereiht wird, unter ande-
rem auch in diejenige philosophischer „Lehrgedichte" (Wuthenow 1999, 225),
so wird jedenfalls deutlich, dass die von N. selbst publizierte Lyrik zum Groß-
teil eingebunden ist in Werkkontexte, in denen sie je spezifische kompositori-
sche Funktionen erfüllt, sei es als ,Motto', als „Vorspiel", „Anhang", „Nachge-
sang" oder ,Einlage' bzw. ,Zwischenspiel'. Nimmt man diese Gattungsmi-
schung von Lyrik und (philosophischer) Prosa als konzeptionelle Strategie
ernst, erscheint die Veröffentlichung der aus dem Kontext herausgelösten lyri-
schen Texte in separaten Ausgaben von N.s Gedichten problematisch, wie
schon verschiedentlich hervorgehoben wurde (z. B. NH 150; Mayer 2010, 175).
Dies gilt nicht nur für den ohnehin schon im Ganzen zwischen den Gattungen
changierenden Za, vielmehr ebenso für die Prosaschriften bzw. Aphorismen-
Sammlungen.
Aber worin genau besteht die kompositorische Funktion der darin enthal-
tenen Gedichte? Im editorischen Nachwort zu DD bestimmt Giorgo Colli den
,„archtitektonischen' Grund" der Integration von Lyrik als die Absicht N.s, „in-
nerhalb ausgefeilter Prosaschriften das Spielerische und Leichte hervorzuhe-
ben oder [...] auf gefällige Weise eine gewisse Spannung zu lockern" (KSA 6,
455). Zumindest für jenes aphoristische Werk, das die meisten lyrischen Texte
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften