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46 Zur Genealogie der Moral

gen zwischen unterschiedlichen Textzeugen und Versionen aufgewiesen wer-
den (siehe die Nachweise bei Benne 2005, 96-99). Es erscheint plausibel, anzu-
nehmen, dass der Begriff der Genealogie bei N. auch von einer entsprechenden
textwissenschaftlichen Akzentuierung geprägt ist (siehe Benne 2005, 96-101,
ferner Raffnsoe 2007, 17 f. Prideaux 2018, 246 meint hingegen, der Titel „notice-
ably attests to the contemporary post-Darwinian preoccupation with the questi-
on of descent"). „Die ,Genealogie' der Moral wäre demnach der Versuch einer
vergleichenden recensio jener entscheidenden Äußerungen und Versatzstücke,
die die historische Entwicklung des ,Textes' der (abendländischen) ,Moral' aus-
gemacht haben; nicht um ihren Ursprung, sondern um ihre Verwandtschafts-
verhältnisse bloßzulegen." (Benne/Santini 2014, 194) Tatsächlich taucht der
textwissenschaftliche Begriff der Genealogie (wenn auch nicht als substanti-
viertes Abstractum) gelegentlich in N.s frühen philologischen Schriften auf, so
etwa, wenn in De Laertii Diogenis fontibus das „stemma tamquam genealogi-
cum" (KGW II 1, 138, 17 f.) zur Entstehung des Werks von Diogenes Laertius
gezeichnet wird (zum „genealogischen Stemma" des Certamen KGW II 1, 305,
33). In N.s Vorlesungen, wie derjenigen zur Geschichte der griechischen Littera-
tur, ist häufiger bei Götter- und Heroendynastien von „Genealogie" die Rede
(z. B. KGW II 5, 60, 19-25), entsprechend gelten derlei Überliefernde als „genea-
logische Dichter" (z. B. KGW II 5, 62, 11 u. 225, 12): Der Philologe N. hat den
Genealogiebegriff also nicht für eine textwissenschaftliche Methode reserviert,
sondern ihn durchaus auch in allgemeinem Sinn gebraucht.
Dem entspricht, dass zu N.s Zeit das Nomen „Genealogie" in Buchtiteln
sehr oft in familien-, insbesondere adelsgeschichtlichen Kontexten verwendet
wird (Beispiel: Eduard Molls Zur Genealogie des Julisch-Claudischen Kaiserhau-
ses von 1879), dann gelegentlich im philologischen Bezugsrahmen (Beispiel:
Karl Haisers Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandschriften von 1876-1877),
schließlich seltener unter Naturwissenschaftlern (Beispiel: Elias Metschnikoffs
Embryologische Studien an Medusen. Ein Beitrag zur Genealogie der Primitiv-
Organe von 1886). In N.s Bibliothek hat sich kein einziges Buch erhalten, das
ein Wort aus dem Feld der „Genealogie" im Titel führt. N.s ehemaliger Freund
Paul Ree, mit dessen „Art von genealogischen Hypothesen" (GM Vorrede 4,
KSA 5, 250, 20 f.) sich GM auseinandersetzt, hat „Genealogie" in seinen Schrif-
ten nie benutzt, während der bleibende Freund Franz Overbeck in seinen von
N. belobigten (an Overbeck, 19. 07. 1880, KSB 6/KGB III 1, Nr. 41, S. 30) Studien
Zur Geschichte des Kanons immerhin über den „genealogischen Zusammen-
hang" verschiedener Gegner des Hebräerbriefes spricht (Overbeck 1880, 24 f. =
Overbeck 1994b, 2, 415 - während im fraglichen Text selbst - Hebräer 7, 3 -
von einem König der Gerechtigkeit die Rede ist, der „dyEveaAoyriTog", ohne
Geschlechterfolge, ohne Genealogie sei; zum Zusammenhang mit N. vgl.
 
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