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Stellenkommentar GM I 7, KSA 5, S. 267 141

ist eine wesentliche These von GM I 7, die allerdings bezeichnenderweise noch
die Priester als eigentliche Strippenzieher dieses Affekts bemüht, die bei Renan
hier völlig fehlen. Damit kann N.s Sprecherinstanz den partikularen Fall des
Judentums und seiner realpolitischen Ohnmacht zum welthistorisch exempla-
rischen, generalisierbaren Fall aufwerten.
267, 29 f. Man weiss, wer die Erbschaft dieser jüdischen Umwerthung gemacht
hat...] Nämlich das Christentum.
267, 30-268, 5 Ich erinnere in Betreff der ungeheuren und über alle Maassen
verhängnissvollen Initiative, welche die Juden mit dieser grundsätzlichsten aller
Kriegserklärungen gegeben haben, an den Satz, auf den ich bei einer anderen
Gelegenheit gekommen bin („Jenseits von Gut und Böse" p. 118) — dass nämlich
mit den Juden der Sklavenaufstand in der Moral beginnt: jener Auf-
stand, welcher eine zweitausendjährige Geschichte hinter sich hat und der uns
heute nur deshalb aus den Augen gerückt ist, weil er — siegreich gewesen ist...]
Der fragliche Satz aus JGB 195 steht freilich erst oben auf der Seite 119 der
Erstausgabe und erklärt, worin „die Bedeutung des jüdischen Volks" liege:
„mit ihm beginnt der Sklaven-Aufstand in der Moral" (Nietzsche
1886a, 119 = KSA 5, 117, 7-9). Zu diesem Motiv, das N. auch in einer Werkskizze
NL 1887, KSA 12, 8[4], 334, 11-335, 10 erörtert, vgl. ausführlich NK KSA 5, 67,
22-26 u. NK KSA 5, 116, 29-117, 9 (ferner Frey 2013, 228 f. u. Hatab 2011, 195-
202; zur Frage, wie der Sklavenaufstand „aus den Augen gerückt ist" Grave
2006). White 1994, 63-65 argumentiert unter Hinweis auf die Kritik des Ur-
sprungsdenkens, in GM gehe es nicht darum, einen Zustand wiederherzustel-
len, der vor der sklavenmoralischen Umwertung gelegen habe. Das Werk sei
kein Lamento über einen verlorenen historischen Ursprungszustand, sondern
der Versuch, für die Zukunft lebensbejahende, weltzugewandte, nicht-sklavi-
sche Wertungsweisen (auch performativ durch eine aggressive, herausfordern-
de Schreibweise) zu provozieren.
Bemerkenswert ist, dass ein gegenwärtiger, sich weltlich gebender Histori-
ker wie Heinrich August Winkler in seiner ausladenden Geschichte des Westen
N.s Narrativ der christlichen Moraldominanz bis in jüngste Zeit hinein fort-
schreibt, wenn er über das angeblich vom „Westen" verfolgte, „normative Pro-
jekt" spricht, „Werte" zu realisieren, die vom Christentum initiiert worden sei-
en (Winkler 2015, 12, zur Kritik Sommer 2016h, 118-120). Wie N. suggeriert Win-
kler, Demokratie, Gleichheit, Menschenrechte seien eine logische Konsequenz
des Christentums, aber er positiviert diesen bei N. unter negativen Vorzeichen
stehenden, mit dem Schmähwort des „Sklavenaufstands" belegten, die histori-
sche Vielgestaltigkeit sehr stark homogenisierenden (oder zurechtfälschenden)
Befund.
 
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