252 Zur Genealogie der Moral
328, 9 - konnte er sich z. B. bei Lippert 1881a, 483 und Lippert 1882 kundig
machen. Es meint das religionsgeschichtlich weithin belegte Opfer der Erstge-
borenen (vgl. 1. Mose 22, 1-19 und Richter 11, 31-40), das im Christentum mit
dem Opfertod Christi fortwirkte; vgl. zum Thema ausführlich NK KSA 5, 74, 3-
8 und NK KSA 6, 189, 8-12. In AC 38 werden dann die „Systeme von Grausam-
keiten" in ihren christlichen Konkretionen ausgebreitet (dazu NK KSA 6, 210,
11-211, 1). „Dieses Erstlingskindesopfer ist wenigstens bei semitischen
Völkern noch in historischer Zeit üblich und es muss einst die weiteste Verbrei-
tung gehabt haben." (Lippert 1881a, 14).
295, 32 Mnemonik] Vgl. NK 295, 13.
295, 32-296, 5 In einem gewissen Sinne gehört die ganze Asketik hierher: ein
paar Ideen sollen unauslöschlich, allgegenwärtig, unvergessbar, „fix" gemacht
werden, zum Zweck der Hypnotisirung des ganzen nervösen und intellektuellen
Systems durch diese „fixen Ideen" — und die asketischen Prozeduren und Le-
bensformen sind Mittel dazu, um jene Ideen aus der Concurrenz mit allen übrigen
Ideen zu lösen, um sie „unvergesslich" zu machen.] N. nimmt mit der „fixen
Idee" einen psychiatrischen Begriff auf, der im späten 19. Jahrhundert so weit
verbreitet ist, dass er wie selbstverständlich schon ein eigenes Lemma in den
einschlägigen Konversationslexika hat (Meyer 1885-1892, 6, 320, vgl. den Aus-
zug in NK KSA 6, 230, 19 f.). Dass fixe Ideen und pathologischer Irrsinn oft
zusammengehen, scheint schon in MA I 161, KSA 2, 151, 17 auf; beispielsweise
bei Baumann 1879, 73 war N. der Zusammenhang von fixer Idee, Handeln und
religiösen Wahnvorstellungen nahegebracht worden: „Es kann der Hergang in
jenem Fall eines sogenannten Handelns aus fixer Idee auch der sein, dass der
Gedanke der That mit seiner formalen Werthschätzung so stark wird, dass er
eine allgemeine Unruhe im Bewegungsapparat erzeugt, die nicht anders
scheint beschwichtigt werden zu können, als durch Auslösung der Spannkraft;
man fühlt sich dann zur That dämonisch getrieben." (N.s Unterstreichun-
gen) Wobei, wie Baumann anmerkt, auch die Idee einer fixen Idee selbst bloß
eine irreführende Idee sein kann: „Manchmal ist es auch blos scheinbar, dass
die That einer fixen Idee entspringe, die fixe Idee ist öfter selbst erst Erzeugniss
auf Grund von dunklen, aber plötzlichen Spanngefühlen: hierher gehört die
Berserkerwuth, der ähnliche Zustand, der unter den Malayen vorkommt" (ebd.,
N.s Unterstreichungen, von ihm am Rand mit „gut" glossiert). GM II 3 schildert
hingegen, wie „fixe Ideen" erst erzeugt werden, nämlich durch die asketische
Fokussierung auf das Eine oder Wenige, was angeblich nottut. Auf solche Prak-
tiken der Selbsthypnose kommt auch GM I 6 zu sprechen, siehe NK 265, 31-
266, 1.
296, 5-7 Je schlechter die Menschheit „bei Gedächtniss" war, um so furchtbarer
ist immer der Aspekt ihrer Bräuche] Maudemarie Clark und Alan J. Swensen
328, 9 - konnte er sich z. B. bei Lippert 1881a, 483 und Lippert 1882 kundig
machen. Es meint das religionsgeschichtlich weithin belegte Opfer der Erstge-
borenen (vgl. 1. Mose 22, 1-19 und Richter 11, 31-40), das im Christentum mit
dem Opfertod Christi fortwirkte; vgl. zum Thema ausführlich NK KSA 5, 74, 3-
8 und NK KSA 6, 189, 8-12. In AC 38 werden dann die „Systeme von Grausam-
keiten" in ihren christlichen Konkretionen ausgebreitet (dazu NK KSA 6, 210,
11-211, 1). „Dieses Erstlingskindesopfer ist wenigstens bei semitischen
Völkern noch in historischer Zeit üblich und es muss einst die weiteste Verbrei-
tung gehabt haben." (Lippert 1881a, 14).
295, 32 Mnemonik] Vgl. NK 295, 13.
295, 32-296, 5 In einem gewissen Sinne gehört die ganze Asketik hierher: ein
paar Ideen sollen unauslöschlich, allgegenwärtig, unvergessbar, „fix" gemacht
werden, zum Zweck der Hypnotisirung des ganzen nervösen und intellektuellen
Systems durch diese „fixen Ideen" — und die asketischen Prozeduren und Le-
bensformen sind Mittel dazu, um jene Ideen aus der Concurrenz mit allen übrigen
Ideen zu lösen, um sie „unvergesslich" zu machen.] N. nimmt mit der „fixen
Idee" einen psychiatrischen Begriff auf, der im späten 19. Jahrhundert so weit
verbreitet ist, dass er wie selbstverständlich schon ein eigenes Lemma in den
einschlägigen Konversationslexika hat (Meyer 1885-1892, 6, 320, vgl. den Aus-
zug in NK KSA 6, 230, 19 f.). Dass fixe Ideen und pathologischer Irrsinn oft
zusammengehen, scheint schon in MA I 161, KSA 2, 151, 17 auf; beispielsweise
bei Baumann 1879, 73 war N. der Zusammenhang von fixer Idee, Handeln und
religiösen Wahnvorstellungen nahegebracht worden: „Es kann der Hergang in
jenem Fall eines sogenannten Handelns aus fixer Idee auch der sein, dass der
Gedanke der That mit seiner formalen Werthschätzung so stark wird, dass er
eine allgemeine Unruhe im Bewegungsapparat erzeugt, die nicht anders
scheint beschwichtigt werden zu können, als durch Auslösung der Spannkraft;
man fühlt sich dann zur That dämonisch getrieben." (N.s Unterstreichun-
gen) Wobei, wie Baumann anmerkt, auch die Idee einer fixen Idee selbst bloß
eine irreführende Idee sein kann: „Manchmal ist es auch blos scheinbar, dass
die That einer fixen Idee entspringe, die fixe Idee ist öfter selbst erst Erzeugniss
auf Grund von dunklen, aber plötzlichen Spanngefühlen: hierher gehört die
Berserkerwuth, der ähnliche Zustand, der unter den Malayen vorkommt" (ebd.,
N.s Unterstreichungen, von ihm am Rand mit „gut" glossiert). GM II 3 schildert
hingegen, wie „fixe Ideen" erst erzeugt werden, nämlich durch die asketische
Fokussierung auf das Eine oder Wenige, was angeblich nottut. Auf solche Prak-
tiken der Selbsthypnose kommt auch GM I 6 zu sprechen, siehe NK 265, 31-
266, 1.
296, 5-7 Je schlechter die Menschheit „bei Gedächtniss" war, um so furchtbarer
ist immer der Aspekt ihrer Bräuche] Maudemarie Clark und Alan J. Swensen