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Stellenkommentar GM II 8, KSA 5, S. 306 299

Adorno und Horkheimer Schlagowsky 2000, 276 f. Bonfiglio 2005/06, 175 f. be-
merkt, dass die etymologischen Annahmen zu „manas" und „Mensch" in
GM II 8 aus der Sicht der heutigen Sanskritistik falsch seien.
306, 17-21 aus der rudimentärsten Form des Personen-Rechts hat sich vielmehr
das keimende Gefühl von Tausch, Vertrag, Schuld, Recht, Verpflichtung, Aus-
gleich erst auf die gröbsten und anfänglichsten Gemeinschafts-Complexe (in de-
ren Verhältniss zu ähnlichen Complexen) übertragen] Im Unterschied zu den
Mutmaßungen, die N. aus der rechtshistorischen Literatur, namentlich aus
Post 1884 geläufig waren (vgl. NK 297, 25-298, 1), wird hier offensichtlich nicht
von einer Priorität der Gemeinschaft ausgegangen, die erst allmählich das Indi-
viduum aus ihren Fittichen entlässt und ihm eine Emanzipation zur Eigenver-
antwortlichkeit erlaubt. GM II 8 scheint vielmehr eine Art ursprüngliches Indi-
viduum jenseits der „Gemeinschafts-Complexe" anzunehmen, das sich an
anderen Individuen misst und dann erst diese seine Erfahrungen von Macht-
konkurrenz auf das Verhältnis von Gemeinschaften untereinander, also bei-
spielsweise auf die Rivalität von Sippen oder Clans überträgt. Dieser Ansatz
beim Individuum erinnert an Strickers Versuch, den „Rechtsbegriff" aus dem
„Machtbegriff" abzuleiten: „Wenn ich nicht die Erfahrung gemacht hätte, dass
ich Objecte willkürlich ergreifen und nutzen kann, würde ich die mir zugestan-
dene Freiheit über ein Object oder überhaupt in irgend einer Sache nach mei-
nem Willen zu verfügen, gar nicht zu erfassen vermögen. Die Vorstellung von
meiner Macht, von meinen Willensimpulsen muss also nothwendig in der
Rechtsidee enthalten sein" (Stricker 1884, 68).
306, 27-32 langte man alsbald bei der grossen Verallgemeinerung an „jedes
Ding hat seinen Preis; Alles kann abgezahlt werden" — dem ältesten und naivs-
ten Moral-Kanon der Gerechtigkeit, dem Anfänge aller „Gutmüthigkeit", aller
„Billigkeit", alles „guten Willens", aller „Objektivität" auf Erden] Die Kernsen-
tenz zitiert Theodor Waitz im zweiten Teil seiner Anthropologie der Naturvölker
als eines der „Odschi-Sprüchwörter", also eines Volkes an der südwestlichen
Goldküste Afrikas. Dort wird der Satz allerdings in einer Weise eingeschränkt,
wie es für die in GM II 8 anvisierte Frühzeit angeblich noch unmöglich gewesen
sein soll: „Jedes Ding hat seinen Preis, aber Niemand kann einen Preis auf Blut
setzen." (Waitz 1860, 246) Es gibt zwar keinen direkten Beleg für eine Waitz-
Lektüre N.s, jedoch hat sich Paul Ree in seinem Brief an N. vom 06. 08. 1877
(KGB II 6/1, Nr. 951, S. 667, Z. 18 f.) ausdrücklich auf Waitz als Gewährsmann
bezogen, so dass N. zumindest von ihm gehört hatte.
306, 32-307, 2 Gerechtigkeit auf dieser ersten Stufe ist der gute Wille unter
ungefähr Gleichmächtigen, sich mit einander abzufinden, sich durch einen Aus-
gleich wieder zu „verständigen" — und, in Bezug auf weniger Mächtige, diese
 
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