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Stellenkommentar GM II 21, KSA 5, S. 331 381

habt habe; die danach vielzitierte Formel geht zurück auf Johann Adam Möh-
lers Versuch über den Ursprung des Gnosticismus (zuerst 1831), wo es über die
antike Gnosis heißt: „Sie ist, wenn ihr Charakter negativ bezeichnet wird, Ver-
teufelung der Natur; und darum als Gegenbewegung einer Erscheinung zu
nehmen, deren Eigenthümliches die Naturvergötterung war, und diese finden
wir im Heidenthume" (Möhler 1839, 1, 411). Vgl. auch den Ausspruch der Figur
des Kanzlers in Goethes Faust II, der generell aus christlicher Perspektive de-
kretiert: „Natur ist Sünde" (V. 4900).
331, 20-29 bis wir mit Einem Male vor dem paradoxen und entsetzlichen Aus-
kunftsmittel stehn, an dem die gemarterte Menschheit eine zeitweilige Erleichte-
rung gefunden hat, jenem Geniestreich des Christenthums: Gott selbst sich
für die Schuld des Menschen opfernd, Gott selbst sich an sich selbst bezahlt ma-
chend, Gott als der Einzige, der vom Menschen ablösen kann, was für den Men-
schen selbst unablösbar geworden ist — der Gläubiger sich für seinen Schuldner
opfernd, aus Liebe (sollte man's glauben? —), aus Liebe zu seinem Schuld-
ner!...] Die christliche Erlösungslehre als Opfertheologie wird in AC 41 wieder
aufgegriffen, und dort mit noch einmal verstärktem Empörungspathos. Eine
für N.s Sicht einschlägige Stelle aus Lippert 1882, 34 ist mitgeteilt in NK KSA 6,
215, 1-3. Dabei versucht Lippert die Zeitstimmung einzufangen, aus der heraus
die Soteriologie des Paulus entstanden ist, die besagt, dass sich Jesus Christus
als Gottessohn aus Liebe freiwillig selbst geopfert habe, um die Sünden der
Menschheit gegenüber Gott abzugelten. „Auf den Gedanken eines Alles über-
treffenden, alle Sühnschuld tilgenden und Heilsgewissheit schaffenden Opfers
arbeitete das ganze Cultstreben der Zeit hin. Die ganze Heilssucht der Zeit, das
Haschen und Jagen nach fremden Culten und schaurigen Mysterien entsprang
ja diesem mehr oder weniger abgeklärt zum Bewusstsein gelangten Bedürfnis-
se. Ein neues, alle Mysterien überbietendes, im Gegensätze zur aristokratischen
Abgeschlossenheit jener, jedermann zugängliches Mysterium mit solchem In-
halte musste bei Tausenden einer vorbereiteten Stimmung und freudigen Auf-
nahme sicher sein; und wer es, wie geringem Mysterien gegenüber üblich, nur
als Versuch aufnahm, den konnte die Lebensgemeinschaft bei der Fahne hal-
ten. Diesem Bedürfnisse der Zeit entsprach der Inhalt der paulinischen Lehre
um so mehr, als er auf einmal die Menschen über den Grund der durch die
Thatsachen constatirten Unzulänglichkeit aller bisherigen Sühnmittel wie
durch eine göttliche Erleuchtung zu belehren schien" (Lippert 1882, 37). Das
entstehende Christentum wird also, ähnlich wie in GM II 21, als popularisierter
Mysterienkult verstanden, der sich an breiteste Bevölkerungsschichten wand-
te, denen der Zugang zu den aristokratischen religiösen Gemeinschaften ver-
wehrt war. Dabei kam die junge christliche Theologie auch jüdischen Bedürf-
nissen entgegen: „für einen gebildeten Juden konnte doch nur feststehen, dass
 
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