398 Zur Genealogie der Moral
ches hier hindurchbricht, wenn auch unter streng asketischer Zucht gehalten."
(Martensen 1878, 354) An der einzigen Stelle, wo vor den GM direkt vorberei-
tenden Aufzeichnungen vom „asketische [n] Ideal" die Rede ist, nämlich
NL 1880, KSA 9, 4[125], 132, 17-20, ist ebenfalls das Morgenländische dieses
Ideals betont („Inder und Juden"). Auch Martensen wendet sich wie N. später
in GM entschieden gegen die Verabsolutierung dieses Ideals, aber aus theologi-
schen Gründen: „Je consequenter aber das asketische Ideal verfolgt wird, desto
deutlicher wird es sich überall zeigen, daß eine in sich unwahre Existenz, da-
raus hervorgeht. Der Asket will nämlich das Unendliche ergreifen außerhalb
und unabhängig vom Endlichen; und dadurch, daß er die Endlichkeit hinter
sich wirft, beraubt er sich selbst der Bedingung, um Jenes wirklich zu eigen zu
bekommen. Ihm fehlt gleichsam das Gefäß, es aufzunehmen und zu tragen,
und er wird von dem Unendlichen gleichsam überströmt." (Martensen 1878,
354) Der emphatische Gebrauch, den N. dann in und im Umfeld von GM von
der Formel „asketisches Ideal" macht, könnte mit einer möglichen erneuten
Martensen-Lektüre zusammenhängen, für die es im Spätwerk auch sonst das
eine oder andere Indiz gibt. Allerdings kommt die Wendung „asketisches Ide-
al" in theologischen Darstellungen recht häufig vor (z. B. Böhringer 1864, 385;
Rothe 1875, 2, 55; Gass 1886, 2, 286 nach Albrecht Ritschl).
1.
Der vermutlich zusammen mit GM III 1 erst später ins Druckmanuskript einge-
fügte Abschnitt GM Vorrede 8 stellt die gesamte Dritte Abhandlung als sorgfäl-
tige Auslegung eines einzigen „Aphorismus" dar, vgl. NK 255, 31-256, 2 u. NK
ÜK GM Vorrede 8. Lange hat man das vorangestellte Motto (vgl. NK 339, 3-7)
fälschlich als diesen Aphorismus interpretiert. Dagegen spricht freilich nicht
nur der Umstand, dass N. GM III 1 zusammen mit GM Vorrede 8 erst nach dem
Hauptmanuskript an den Drucker geschickt hat, und davor der jetzige Ab-
schnitt GM III 2 den Anfang der Abhandlung gebildet hatte (vgl. z. B. Clark
1997; Nietzsche 1998, 148; Wilcox 1997, zur Diskussion auch Babich 2006 u.
Tongeren 2012a, 6, Fn. 12; zu den Folgerungen für N.s Aphorismus-Begriff Wil-
cox 1998, 452-462). Das hinzugekommene Blatt mit Abschnitt 1 trägt im Druck-
manuskript von N.s Hand rechts oben den Vermerk „Anfang der dritten Ab-
handlung" (GSA 71/27,2, fol. Ir); von Blatt 2 wurden dann handschriftlich die
Abschnittnummern korrigiert (aus dem ursprünglichen GM III 1 wurde
GM III 2 - vgl. GSA 71/27,2, fol. 2r - etc.). Ebenso sprechen auch inhaltliche
Gesichtspunkte gegen die Deutung des Mottos als des auszulegenden „Apho-
rismus": GM III 1 bietet einen komprimierten, in der Komprimierung allerdings
ches hier hindurchbricht, wenn auch unter streng asketischer Zucht gehalten."
(Martensen 1878, 354) An der einzigen Stelle, wo vor den GM direkt vorberei-
tenden Aufzeichnungen vom „asketische [n] Ideal" die Rede ist, nämlich
NL 1880, KSA 9, 4[125], 132, 17-20, ist ebenfalls das Morgenländische dieses
Ideals betont („Inder und Juden"). Auch Martensen wendet sich wie N. später
in GM entschieden gegen die Verabsolutierung dieses Ideals, aber aus theologi-
schen Gründen: „Je consequenter aber das asketische Ideal verfolgt wird, desto
deutlicher wird es sich überall zeigen, daß eine in sich unwahre Existenz, da-
raus hervorgeht. Der Asket will nämlich das Unendliche ergreifen außerhalb
und unabhängig vom Endlichen; und dadurch, daß er die Endlichkeit hinter
sich wirft, beraubt er sich selbst der Bedingung, um Jenes wirklich zu eigen zu
bekommen. Ihm fehlt gleichsam das Gefäß, es aufzunehmen und zu tragen,
und er wird von dem Unendlichen gleichsam überströmt." (Martensen 1878,
354) Der emphatische Gebrauch, den N. dann in und im Umfeld von GM von
der Formel „asketisches Ideal" macht, könnte mit einer möglichen erneuten
Martensen-Lektüre zusammenhängen, für die es im Spätwerk auch sonst das
eine oder andere Indiz gibt. Allerdings kommt die Wendung „asketisches Ide-
al" in theologischen Darstellungen recht häufig vor (z. B. Böhringer 1864, 385;
Rothe 1875, 2, 55; Gass 1886, 2, 286 nach Albrecht Ritschl).
1.
Der vermutlich zusammen mit GM III 1 erst später ins Druckmanuskript einge-
fügte Abschnitt GM Vorrede 8 stellt die gesamte Dritte Abhandlung als sorgfäl-
tige Auslegung eines einzigen „Aphorismus" dar, vgl. NK 255, 31-256, 2 u. NK
ÜK GM Vorrede 8. Lange hat man das vorangestellte Motto (vgl. NK 339, 3-7)
fälschlich als diesen Aphorismus interpretiert. Dagegen spricht freilich nicht
nur der Umstand, dass N. GM III 1 zusammen mit GM Vorrede 8 erst nach dem
Hauptmanuskript an den Drucker geschickt hat, und davor der jetzige Ab-
schnitt GM III 2 den Anfang der Abhandlung gebildet hatte (vgl. z. B. Clark
1997; Nietzsche 1998, 148; Wilcox 1997, zur Diskussion auch Babich 2006 u.
Tongeren 2012a, 6, Fn. 12; zu den Folgerungen für N.s Aphorismus-Begriff Wil-
cox 1998, 452-462). Das hinzugekommene Blatt mit Abschnitt 1 trägt im Druck-
manuskript von N.s Hand rechts oben den Vermerk „Anfang der dritten Ab-
handlung" (GSA 71/27,2, fol. Ir); von Blatt 2 wurden dann handschriftlich die
Abschnittnummern korrigiert (aus dem ursprünglichen GM III 1 wurde
GM III 2 - vgl. GSA 71/27,2, fol. 2r - etc.). Ebenso sprechen auch inhaltliche
Gesichtspunkte gegen die Deutung des Mottos als des auszulegenden „Apho-
rismus": GM III 1 bietet einen komprimierten, in der Komprimierung allerdings