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Stellenkommentar GM III 3, KSA 5, S. 341 407

che Weise beleidigt [...] — sein langsames Zurückgehn und -Schleichen zum
Christenthum und zur Kirche habe ich als einen persönlichen Schimpf für mich
empfunden" (N. an Malwida von Meysenbug, 21. 02. 1883, KSB 6/KGB III 1,
Nr. 382, S. 335, Z. 21-25). Gehört und auf der Bühne gesehen hat N. den ganzen
Parsifal freilich nie. Dafür besaß er einschlägige Sekundärliteratur: Schlaeger
1884a; Schlaeger 1884b u. Förster 1886. Erst Anfang 1887 kam N. in Monte-
Carlo immerhin das Vorspiel zu Ohren. In seinem Brief an Köselitz vom
21. 01. 1887 konnte er seine Begeisterung kaum verhehlen: „Abgesehn übrigens
von allen unzugehörigen Fragen (wozu solche Musik dienen kann oder etwa
dienen soll?) sondern rein ästhetisch gefragt: hat Wagner je Etwas besser
gemacht? Die allerhöchste psychologische Bewußtheit und Bestimmtheit in Be-
zug auf das, was hier gesagt, ausgedrückt, mitgetheilt werden soll, die kür-
zeste und direkteste Form dafür, jede Nuance des Gefühls bis aufs Epigramma-
tische gebracht; eine Deutlichkeit der Musik als descriptiver Kunst, bei der man
an einen Schild mit erhabener Arbeit denkt; und, zuletzt, ein sublimes und
außerordentliches Gefühl, Erlebniß, Ereigniß der Seele im Grunde der Musik,
das Wagnern die höchste Ehre macht, eine Synthesis von Zuständen, die vielen
Menschen, auch ,höheren Menschen', als unvereinbar gelten werden, von rich-
tender Strenge, von ,Höhe' im erschreckenden Sinne des Worts, von einem
Mitwissen und Durchschauen, das eine Seele wie mit Messern durchschnei-
det — und von Mitleiden mit dem, was da geschaut und gerichtet wird. Derglei-
chen giebt es bei Dante, sonst nicht. Ob je ein Maler einen so schwermüthigen
Blick der Liebe gemalt hat als W<agner> mit den letzten Accenten seines Vor-
spiels?" (KSB 8/KGB III 5, Nr. 793, S. 12 f., Z. 39-59, vgl. NK KSA 6, 29, 6-11).
Zwar schien N. in seinen direkten Bezugnahmen auf die Parsifal-Widmung
an ihn Wagners Selbstironie in der Titulatur „Oberkirchenrath" überhören zu
wollen, die noch verstärkt wurde durch den Hinweis, N. möge dies doch auch
Franz Overbeck übermitteln, den Wagner als Vertreter einer vom Kirchenchris-
tentum völlig entfremdeten, radikal kritischen Theologie kannte. Aber GM III 3
macht gerade den Versuch, das scheinbar so weihevolle „Bühnenweihfest-
spiel" als womöglich doch nicht so ernst gemeinte Parodie des Christentums
zu verstehen. Damit befindet N. sich - ohne das kenntlich zu machen - in der
guten Gesellschaft mancher Wagner-Kritiker seiner Zeit (vgl. NK 342, 14-17). Es
wäre ja möglich, dass das Werk „heiter gemeint sei" (341, 30), als „Satyrdra-
ma", mit dem der „Tragiker Wagner" (341, 31) sich von der Tragödie verab-
schiedet habe - „mit einem Excess höchster und muthwilligster Parodie auf
das Tragische selbst" (342, 2 f.). Könnte es nicht sein, wird gefragt und ge-
wünscht, dass Wagner hier über sich selbst lache? Denn was wäre im Gegen-
zug „der ernstgemeinte Parsifal" (342, 14)? Eine völlige Abkehr von Sinn-
lichkeit und Erkenntnis, die Selbstverneinung „eines Künstlers, der bis dahin
 
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