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Stellenkommentar GM III 5, KSA 5, S. 344 417

stellter, unabhängiger Geist, nicht etwa ein Universitätsgelehrter oder anderer
intellektueller Arbeiter.
Anstatt nun aber diese Frage direkt zu beantworten, wird ein anderes, mit
der Kernfrage zunächst scheinbar nur lose verknüpftes Thema in den Vorder-
grund gerückt, nämlich Schopenhauers Stellung zur Kunst. Sie habe Schopen-
hauer für Wagner erst attraktiv werden lassen: Dank Schopenhauer habe Wag-
ner seine Stellung zur Musik vollkommen verändert. Statt die Musik weiterhin
als eine Dienerin des Dramas anzusehen, habe der Komponist sie nun als sou-
verän verstanden, als „die unabhängige Kunst an sich" (346, 5 f.), in der sich
der Wille selbst zum Ausdruck bringe. Mit dem Wert der Musik habe auch der
Musiker dank Schopenhauers Musikästhetik eine ungeheure Wertsteigerung
erlebt. Nun könne der Musiker - also Wagner - sich begreifen als „ein Orakel,
ein Priester, ja mehr als ein Priester, eine Art Mundstück des ,An-sich' der Din-
ge, ein Telephon des Jenseits" (346, 13-15).
GM III 5 bietet eine fundamentale Abrechnung mit dem Glauben an die
Eigenständigkeit und Souveränität der Kunst. Das hier gesetzte große Fragezei-
chen betrifft keineswegs nur die servilen Kunstformen bis ins 19. Jahrhundert,
deren Vertreter den Geld- und Ideologiegebern aus Eigennutz gerne zu Diens-
ten waren. Dieses Fragezeichen bleibt unübersehbar haften an aller angeblich
so autonomen modernen Kunst. Deren Grundideologem ist zwar die Unabhän-
gigkeit der Kunst; faktisch auf der Hand liegt aber nicht nur die ökonomische
Abhängigkeit der Künstler von ihren Auftraggebern, Kulturfördertöpfen, Mäze-
nen und Sammlern, sondern auch ihre ideologische Abhängigkeit von jeweili-
gen Zeitmoden. Wagner stellt hier jenseits aller persönlichen Betroffenheiten
N.s tatsächlich ein vorzügliches Exempel dar, denn er scheint die Selbstmacht
der Kunst, ihre Souveränität ja geradezu in idealtypischer Weise verkörpert zu
haben. Jedoch ist all dies nur leerer Schein und billiger Philosophie-Ab-
klatsch - zumindest entsteht dieser Eindruck in GM III 5.
344, 23-25 Was bedeuten also asketische Ideale? Im Falle eines Künstlers, wir
begreifen es nachgerade: gar Nichts!... Oder so Vielerlei, dass es so gut ist wie
gar Nichts!...] Eben hatte es in GM III 4 noch geheißen: „Ein vollkommner und
ganzer Künstler ist in alle Ewigkeit von dem ,Realen', dem Wirklichen abge-
trennt" (344, 3-5). Vollkommene Künstler wären offensichtlich - ähnlich wie
die in GM III 8 beschriebenen Philosophen - sehr wohl auf asketische Ideale
angewiesen, würden sich ihrer als Mittel bedienen, um sich Freiräume zu
schaffen. Dann wären die ,echten' Künstler in einer ähnlichen Position wie die
Philosophen. Die Schlussfolgerung zu Beginn von GM III 5 kommt vorschnell -
sie folgt gerade nicht aus dem Vorangegangenen.
344, 25-29 Eliminiren wir zunächst die Künstler: dieselben stehen lange nicht
unabhängig genug in der Welt und gegen die Welt, als dass ihre Werthschätzun-
 
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