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Stellenkommentar GM III 7, KSA 5, S. 350-351 439

Ehefrauen bedürfen könnten. Woher will das in GM III 7 sprechende „Ich" wis-
sen, dass jedem Philosophen exakt dieselben Bedingungen für seine Entfal-
tung zuträglich wären (gerade das idiosynkraktische Beispiel Schopenhauer
zeigt ja eher das Gegenteil)? Wie kann das sprechende „Ich" ausschließen,
dass auch andere als Sokrates eine Xanthippe als Stimulans zum philosophi-
schen Leben bräuchten? Könnte nicht gerade die Komödie eine privilegierte
Wirkungsstätte für Philosophen sein?
351, 4-7 Jeder Philosoph würde sprechen, wie einst Buddha sprach, als ihm die
Geburt eines Sohnes gemeldet wurde: „Rähula ist mir geboren, eine Fessel ist mir
geschmiedet" (Rähula bedeutet hier „ein kleiner Dämon")] Das Zitat stammt aus
Hermann Oldenbergs Standardwerk Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Ge-
meinde und gehört in die legendenhaften Erzählungen von der Jugend des rei-
chen Prinzen Siddhartha Gautama, als er sein Leben umzukrempeln im Begrif-
fe war: „Der Königssohn kehrt von jener Ausfahrt zurück, auf welcher durch
die Erscheinung des Mönches der Gedanke an /106/ das Leben seliger Entsa-
gung ihm nahe gebracht war. Als er seinen Wagen besteigt, wird ihm die Ge-
burt eines Sohnes gemeldet. Er spricht: ,Rähula ist mir geboren, eine Fessel ist
mir geschmiedet' — eine Fessel, die ihn an das heimische Dasein, aus dem er
hinaus strebt, zu ketten droht." (Oldenberg 1881, 105 f. KSA 14, 381 gibt eine
falsche Seitenangabe, die seither in der Literatur beharrlich wiederholt wird).
Oldenberg erläutert: „Bei dem Namen Rähula scheint an Rähu gedacht, den
Sonne und Mond verschlingenden (verfinsternden) Dämon" (Oldenberg 1881,
106, Fn. 1).
351, 10-12 „eng bedrängt, dachte er bei sich, ist das Leben im Hause, eine Stätte
der Unreinheit; Freiheit ist im Verlassen des Hauses": „dieweil er also dachte,
verliess er das Haus"] „Oder, wie es ein andres Mal heisst: ,Eng bedrängt ist
das Leben im Hause, eine Stätte der Unreinheit; Freiheit ist im Verlassen des
Hauses; dieweil er also dachte, verliess er sein Haus.'" (Oldenberg 1881, 107.
Wiederum ist die Seitenangabe in KSA 14, 381 falsch).
351, 12-19 Es sind im asketischen Ideale so viele Brücken zur Unabhängig-
keit angezeigt, dass ein Philosoph nicht ohne ein innerliches Frohlocken und
Händeklatschen die Geschichte aller jener Entschlossnen zu hören vermag,
welche eines Tages Nein sagten zu aller Unfreiheit und in irgend eine Wüste
giengen: gesetzt selbst, dass es bloss starke Esel waren und ganz und gar das
Gegenstück eines starken Geistes.] Die „Wüste" steht hier zunächst im Vorstel-
lungshorizont jener frühchristlichen Anachoreten im Gefolge Jesu, die zur Ver-
wirklichung ihrer radikalasketischen Auffassung wortwörtlich in die Wüsten
des Orients gingen und dort ihr eremitisches Leben zubrachten (vgl. z.B.
NK 265, 25-28 sowie die in NK 379, 21-23 mitgeteilte Variante aus N.s Druckma-
 
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