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Stellenkommentar GM III 12, KSA 5, S. 363-364 469

dependent on affectivity". Er folgert, der hier vorausgesetzte Subjektivitätsbe-
griff „requires the experience of agency, and the latter presupposes affectivity".
Dellinger 2017, 41 stellt hingegen zu Recht heraus, dass GM III 12 „wesentlich
selbstbezüglich" operiere, „insofern Perspektiven zugleich Gegenstand und
Methode des Textes sind". Zu unterstreichen ist auch Dellingers Mahnung, das
scheinbare Bekenntnis zu einer erkenntnistheoretischen Position, nämlich
dem Perspektivismus in GM III 12 nicht isoliert, sondern im Funktionskontext
des gesamten Absatzes und der Dritten Abhandlung zu betrachten. „Perspekti-
ven und Werthungen" (364, 25 f.) sind enggeführt, woraus Dellinger folgert,
dass es N. keineswegs (wie etwa Clark 1990 und Leiter 1994 glauben machen
wollen) um eine modifiziert neokantianische Erkenntnistheorie und damit um
die Erkenntnis von Außenweltgegenständen geht. „Die ,Perspektiven und Wer-
thungen', im Hinblick auf die der Exkurs über die Perspektivität des Erkennens
beginnt, sind Sichtweisen auf abstrakte philosophische Probleme, nicht aber
raumzeitliche Objekte." (Dellinger 2017, 46) Zur Interpretation von GM III 12
siehe ferner Gentili 2015a und Berry 2011, 112-118 sowie zum Aspekt der „Objek-
tivität" insbesondere Constäncio 2011 u. Constäncio 2012, 135-140.
364, 4-8 Er wird zum Beispiel, wie es die Asketen der Vedanta-Philosophie tha-
ten, die Leiblichkeit zur Illusion herabsetzen, den Schmerz insgleichen, die Viel-
heit, den ganzen Begriffs-Gegensatz „Subjekt" und „Objekt" — Irrthümer, Nichts
als Irrthümer!] Loukidelis 2017, 243 f. stellt für diese Stelle mit ihrer Fundamen-
talkritik am Subjekt-Objekt-Gegensatz eine diesen Gegensatz gleichfalls proble-
matisierende Passage in Paul Heinrich Widemanns Erkennen und Sein als mög-
liche Quelle zur Diskussion (Widemann 1885, 216 f.). Dort ist freilich nicht vom
Vedanta die Rede. Näher liegt daher ein Bezug zu Paul Deussens Das System
des Vedanta, wo das Problem sehr eingehend erörtert wird, im Zusammenhang
mit Leiblichkeit und Vielheit: „Es war die einfache Konsequenz dieser Koncep-
tionen, wenn der Vedanta die empirische Anschauung, welche uns eine äusser
dem Selbste vorhandene Vielheit, eine unabhängig vom Subjekte bestehende
Welt der Objekte vorspiegelt, für ein Blendwerk (mäyä), eine angeborne Täu-
schung (bhrama) erklärt, beruhend auf einer unberechtigten Übertra-
gung /55/ (adhyäsa), vermöge deren wir diejenige Realität, welche allein dem
Subjekte zukommt, auf die Welt der Objekte, und umgekehrt die Bestimmun-
gen der objektiven Welt, z. B. die Körperlichkeit, auf das Subjekt, das Selbst,
die Seele übertragen." (Deussen 1883, 54 f.) So ist klar, „dass es ein von Brah-
man Verschiedenes (nänä), eine Vielheit der Dinge (prapanca) überhaupt nicht
giebt" (ebd., 107). Der „Illusion alles Schmerzes" ist bei Deussen ein ganzes
Kapitel gewidmet (ebd., 322 f.), wo es u. a. referierend heißt: „nur durch das
Nichtwissen gelangt die Seele zu dem Wahne, in dem Leibe ihr Selbst zu erbli-
cken, und nur auf diesem Wahne (abhimäna), von dem Gott frei ist, beruht die
 
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