Stellenkommentar GM III 13, KSA 5, S. 365 473
Die ironisierenden Anführungszeichen ausblendend, deduzieren Interpreten
wie Swanton 2011, 298 aus dieser Passage „objectivity as an intellectual (and I
might say moral) virtue", die bei N. ihre Gültigkeit behaupte.
365, 18 f. Den Willen aber überhaupt eliminiren, die Affekte sammt und sonders
aushängen] Das ist wiederum - siehe Dellinger 2017, 53, Fn. 32 - ein ironisieren-
des Schopenhauer-Echo. N. hat in seinem Handexemplar an der entsprechen-
den Stelle diverse Lesespuren in Form von Randstrichen, Ausrufezeichen
(gleich drei davon bei der „Elimination des Wollens"), einem NB und zahlrei-
chen nachfolgend dokumentierten Unterstreichungen hinterlassen: „Zur Auf-
fassung einer Idee, zum Eintritt derselben in unser Bewußtseyn, kommt es nur
mittelst einer Veränderung in uns, die man auch als einen Akt der Selbstver-
läugnung betrachten könnte; sofern sie darin besteht, daß die Erkenntniß sich
ein Mal vom eigenen Willen gänzlich abwendet, also das ihr anvertraute theure
Pfand jetzt gänzlich aus den Augen läßt und die Dinge so betrachtet, als ob sie
den Willen nie etwas angehen könnten. Denn hiedurch allein wird die Erkennt-
niß zum reinen Spiegel des objektiven Wesens der Dinge. Jedem ächten Kunst-
werk muß eine so bedingte Erkenntniß, als sein Ursprung, zum Grunde liegen.
Die zu derselben erforderte Veränderung im Subjekte kann, eben weil sie in
der Elimination alles Wollens besteht, nicht vom Willen ausgehen, also kein
Akt der Willkür seyn, d. h. nicht in unserem Belieben stehen. Vielmehr ent-
springt sie allein aus einem temporären Ueberwiegen des Intellekts über den
Willen, oder, physiologisch betrachtet, aus einer starken Erregung der an-
schauenden Gehirnthätigkeit, ohne alle Erregung der Neigungen oder Affekte."
(Schopenhauer 1873-1874, 3, 419). Das Motiv des reinen Spiegels nimmt dann
GM III 26 mit Blick auf das Objektivitätsideal der Historiker auf, vgl. NK 405,
30 f. Zum „Aushängen" der Affekte siehe NK 322, 2-19.
365, 20 f. wie? hiesse das nicht den Intellekt castriren?] Im Druckmanuskript
stand vor einer Korrektur von N.s Hand: „das hieße den Intellekt kastriren."
Darauf folgte der gestrichene Nachsatz: „Mehr noch: es hieße - nicht denken!"
Das k am Anfang von „kastriren" ist mit anderem Stift durchgestrichen und
durch ein c ersetzt worden (GSA 71/27,2, fol. 27r).
13.
Getreu der in der Metareflexion von GM III 12 propagierten Perspektivenverviel-
fältigung zur Erkenntnisoptimierung bringt GM III 13 bei der Rückkehr auf die
Gegenstandsebene zur Wirkungsweise des asketischen Ideals einen neuen Ge-
sichtspunkt zum Tragen: Der „im Asketen" sich scheinbar manifestierende
Die ironisierenden Anführungszeichen ausblendend, deduzieren Interpreten
wie Swanton 2011, 298 aus dieser Passage „objectivity as an intellectual (and I
might say moral) virtue", die bei N. ihre Gültigkeit behaupte.
365, 18 f. Den Willen aber überhaupt eliminiren, die Affekte sammt und sonders
aushängen] Das ist wiederum - siehe Dellinger 2017, 53, Fn. 32 - ein ironisieren-
des Schopenhauer-Echo. N. hat in seinem Handexemplar an der entsprechen-
den Stelle diverse Lesespuren in Form von Randstrichen, Ausrufezeichen
(gleich drei davon bei der „Elimination des Wollens"), einem NB und zahlrei-
chen nachfolgend dokumentierten Unterstreichungen hinterlassen: „Zur Auf-
fassung einer Idee, zum Eintritt derselben in unser Bewußtseyn, kommt es nur
mittelst einer Veränderung in uns, die man auch als einen Akt der Selbstver-
läugnung betrachten könnte; sofern sie darin besteht, daß die Erkenntniß sich
ein Mal vom eigenen Willen gänzlich abwendet, also das ihr anvertraute theure
Pfand jetzt gänzlich aus den Augen läßt und die Dinge so betrachtet, als ob sie
den Willen nie etwas angehen könnten. Denn hiedurch allein wird die Erkennt-
niß zum reinen Spiegel des objektiven Wesens der Dinge. Jedem ächten Kunst-
werk muß eine so bedingte Erkenntniß, als sein Ursprung, zum Grunde liegen.
Die zu derselben erforderte Veränderung im Subjekte kann, eben weil sie in
der Elimination alles Wollens besteht, nicht vom Willen ausgehen, also kein
Akt der Willkür seyn, d. h. nicht in unserem Belieben stehen. Vielmehr ent-
springt sie allein aus einem temporären Ueberwiegen des Intellekts über den
Willen, oder, physiologisch betrachtet, aus einer starken Erregung der an-
schauenden Gehirnthätigkeit, ohne alle Erregung der Neigungen oder Affekte."
(Schopenhauer 1873-1874, 3, 419). Das Motiv des reinen Spiegels nimmt dann
GM III 26 mit Blick auf das Objektivitätsideal der Historiker auf, vgl. NK 405,
30 f. Zum „Aushängen" der Affekte siehe NK 322, 2-19.
365, 20 f. wie? hiesse das nicht den Intellekt castriren?] Im Druckmanuskript
stand vor einer Korrektur von N.s Hand: „das hieße den Intellekt kastriren."
Darauf folgte der gestrichene Nachsatz: „Mehr noch: es hieße - nicht denken!"
Das k am Anfang von „kastriren" ist mit anderem Stift durchgestrichen und
durch ein c ersetzt worden (GSA 71/27,2, fol. 27r).
13.
Getreu der in der Metareflexion von GM III 12 propagierten Perspektivenverviel-
fältigung zur Erkenntnisoptimierung bringt GM III 13 bei der Rückkehr auf die
Gegenstandsebene zur Wirkungsweise des asketischen Ideals einen neuen Ge-
sichtspunkt zum Tragen: Der „im Asketen" sich scheinbar manifestierende