Stellenkommentar GM III 24, KSA 5, S. 400-401 573
Es ist immer noch ein metaphysischer Glaube, auf dem unser Glaube an
die Wissenschaft ruht, — auch wir Erkennenden von Heute, wir Gottlosen und
Antimetaphysiker, auch wir nehmen unser Feuer noch von jenem Brande, den
ein Jahrtausende alter Glaube entzündet hat, jener Christen-Glaube, der auch der
Glaube Plato's war, dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit göttlich ist...
Aber wie, wenn gerade dies immer mehr unglaubwürdig wird, wenn Nichts sich
mehr als göttlich erweist, es sei denn der Irrthum, die Blindheit, die Lüge, — wenn
Gott selbst sich als unsre längste Lüge erweist?"] Die Vorlage, nämlich das
Ende von FW 344, weicht an einigen hier mit Unterstreichungen kenntlich ge-
machten Stellen textlich und in den Sperrungen ab: „der Wahrhaftige, in je-
nem verwegenen und letzten Sinne, wie ihn der Glaube an die Wissenschaft
voraussetzt, bejaht damit eine andre Welt als die des Lebens, der Natur
und der Geschichte; und insofern er diese ,andre Welt' bejaht, wie? muss er
nicht ebendamit ihr Gegenstück, diese Welt, unsre Welt — verneinen?... Doch
man wird es begriffen haben, worauf ich hinaus will, nämlich dass es immer
noch ein metaphysischer Glaube ist, auf dem unser Glaube an die Wis-
senschaft ruht, — dass auch wir Erkennenden von heute, wir Gottlosen und
Antimetaphysiker, auch unser Feuer noch von dem Brande nehmen,
den ein Jahrtausende alter Glaube entzündet hat, jener Christen-Glaube, der
auch der Glaube Plato's war, dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit
göttlich ist... Aber wie, wenn dies gerade _immer mehr unglaubwürdig
wird, wenn Nichts sich mehr als göttlich erweist, es sei denn der Irrthum, die
Blindheit, die Lüge, — wenn Gott selbst sich als unsre längste Lüge erweist?"
(KSA 3, 577, 2-18). Zur Interpretation vgl. NK 3/2, ferner z. B. Owen 2006, 45 f.
u. Cherlonneix 2015.
401, 23-25 Der Wille zur Wahrheit bedarf einer Kritik — bestimmen wir hiermit
unsre eigene Aufgabe —, der Werth der Wahrheit ist versuchsweise einmal in
Frage zu stellen...] Vgl. NK KSA 5, 15, 4 und NK KSA 5, 15, 19-21, ferner
Hatab 2008b, 114.
401, 26-30 jenen Abschnitt der „fröhlichen Wissenschaft" nachzulesen, welcher
den Titel trägt: „Inwiefern auch wir noch fromm sind" S. 260 ff, am besten das
ganze fünfte Buch des genannten Werks, insgleichen die Vorrede zur „Morgenrö-
the"] Aus dem fraglichen Abschnitt FW 344, KSA 3, 574-577 hat N. eben erst
zitiert (vgl. NK 400, 26-401, 9). Das Fünfte Buch mit dem Untertitel „Wir
Furchtlosen" (KSA 3, 573, 2) kam erst mit der Neuauflage von FW 1887 hinzu
(KSA 3, 573-638; vgl. Kaufmann 2015). Etwas irreführend ist der Hinweis auf
FW V im Ganzen, insofern darin höchst unterschiedliche Themenkomplexe be-
handelt werden, die mit der Infragestellung des Wahrheitswillens zum Teil nur
sehr lose zusammenhängen. M Vorrede war eine auf Herbst 1886 datierte Hin-
Es ist immer noch ein metaphysischer Glaube, auf dem unser Glaube an
die Wissenschaft ruht, — auch wir Erkennenden von Heute, wir Gottlosen und
Antimetaphysiker, auch wir nehmen unser Feuer noch von jenem Brande, den
ein Jahrtausende alter Glaube entzündet hat, jener Christen-Glaube, der auch der
Glaube Plato's war, dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit göttlich ist...
Aber wie, wenn gerade dies immer mehr unglaubwürdig wird, wenn Nichts sich
mehr als göttlich erweist, es sei denn der Irrthum, die Blindheit, die Lüge, — wenn
Gott selbst sich als unsre längste Lüge erweist?"] Die Vorlage, nämlich das
Ende von FW 344, weicht an einigen hier mit Unterstreichungen kenntlich ge-
machten Stellen textlich und in den Sperrungen ab: „der Wahrhaftige, in je-
nem verwegenen und letzten Sinne, wie ihn der Glaube an die Wissenschaft
voraussetzt, bejaht damit eine andre Welt als die des Lebens, der Natur
und der Geschichte; und insofern er diese ,andre Welt' bejaht, wie? muss er
nicht ebendamit ihr Gegenstück, diese Welt, unsre Welt — verneinen?... Doch
man wird es begriffen haben, worauf ich hinaus will, nämlich dass es immer
noch ein metaphysischer Glaube ist, auf dem unser Glaube an die Wis-
senschaft ruht, — dass auch wir Erkennenden von heute, wir Gottlosen und
Antimetaphysiker, auch unser Feuer noch von dem Brande nehmen,
den ein Jahrtausende alter Glaube entzündet hat, jener Christen-Glaube, der
auch der Glaube Plato's war, dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit
göttlich ist... Aber wie, wenn dies gerade _immer mehr unglaubwürdig
wird, wenn Nichts sich mehr als göttlich erweist, es sei denn der Irrthum, die
Blindheit, die Lüge, — wenn Gott selbst sich als unsre längste Lüge erweist?"
(KSA 3, 577, 2-18). Zur Interpretation vgl. NK 3/2, ferner z. B. Owen 2006, 45 f.
u. Cherlonneix 2015.
401, 23-25 Der Wille zur Wahrheit bedarf einer Kritik — bestimmen wir hiermit
unsre eigene Aufgabe —, der Werth der Wahrheit ist versuchsweise einmal in
Frage zu stellen...] Vgl. NK KSA 5, 15, 4 und NK KSA 5, 15, 19-21, ferner
Hatab 2008b, 114.
401, 26-30 jenen Abschnitt der „fröhlichen Wissenschaft" nachzulesen, welcher
den Titel trägt: „Inwiefern auch wir noch fromm sind" S. 260 ff, am besten das
ganze fünfte Buch des genannten Werks, insgleichen die Vorrede zur „Morgenrö-
the"] Aus dem fraglichen Abschnitt FW 344, KSA 3, 574-577 hat N. eben erst
zitiert (vgl. NK 400, 26-401, 9). Das Fünfte Buch mit dem Untertitel „Wir
Furchtlosen" (KSA 3, 573, 2) kam erst mit der Neuauflage von FW 1887 hinzu
(KSA 3, 573-638; vgl. Kaufmann 2015). Etwas irreführend ist der Hinweis auf
FW V im Ganzen, insofern darin höchst unterschiedliche Themenkomplexe be-
handelt werden, die mit der Infragestellung des Wahrheitswillens zum Teil nur
sehr lose zusammenhängen. M Vorrede war eine auf Herbst 1886 datierte Hin-