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Pütter, August; Trefftz, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1927, 4. Abhandlung): Chemische Reizwirkung und Giftwirkung — Berlin, Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.43531#0009
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Chemische Reizwirkung und Giftwirkung. 9
Giftkonzentration herrscht und dessen Volumen so groß ist, daß die
von dem Organismus in der Versuchszeit aufgenommene Giftmenge
klein gegenüber der ganzen gelösten Giftmenge ist. In diesem Falle
wirkt während der ganzen Beobachtungsdauer praktisch die gleiche
Giftkonzentration auf die Außenfläche des Organismus ein, und die
Aufgabe ist dann nur, anzugeben, wie sich das Eindringen des Giftes
(oder Reizstoffes) in das Innere und die primäre Giftwirkung (Reiz-
wirkung) vollzieht. Darf man noch die weitere vereinfachende Annahme
machen, daß die Verteilung im Innern des Organismus nicht durch
Konvektion in unübersehbarer Weise verwickelt wird, sondern rein
durch Diffusion erfolgt, so gewinnt das Problem der chemischen Reiz-
wirkung oder Giftwirkung eine Gestalt, die eine theoretische Behand-
lung ermöglicht.
In den Arbeiten von W. Barratt x) (Paramaecium), Paul, Birstein
und Reuss* 2) (Bakterien) und Hartmann3) (Bosmina longirostris) liegt
ein ziemlich reichliches Beobachtungsmaterial vor, bei dem diese ver-
einfachenden Umstände mehr oder weniger vollständig zutreffen.
Die eigenartigen Gesetzmäßigkeiten für Giftwirkungen oder
chemische Reizwirkungen, die sich aus diesen Arbeiten ergeben, treten
besonders klar hervor, wenn man sie mit denen vergleicht, die bei
Verwendung anderer Reizarten gefunden worden sind.
Für Lichtreize und Schwerkraftreize hat sich in weitem Umfange,
für Temperaturreize in geringerem, das sogenannte Reizmengengesetz
bewährt, d. h. es ergab sich, daß das Produkt aus Reizstärke und
Reizdauer konstant ist, wenn eine bestimmte Wirkung, z. B. eine eben
merkliche Erregung eintritt. Nur bei Reizstärken, die der Intensität
der Reizschwelle bei beliebig langer Darbietung nahe liegen, versagt das
Reizmengen-„Gesetz“, es erweist sich damit als eine Regel.
Die beobachteten Abweichungen von der Reizmengenregel sind
theoretisch verständlich. Es konnte eine rationelle Gleichung angegeben
werden, die die Beziehungen zwischen Reizstärke und Präsentationszeit
richtig gibt, auch in der Nähe der Schwellenintensität, d. h. für lange
Reizzeiten.4)
Die Reizmengenrege] erscheint in einem Grenzfall dieses allge-
meineren Ausdrucks.

>) Z. f. allg. Physiol. Bd. 4, S. 438-484. 1904.
2) Biochem. Zeitschr. Bd. 29, S. 202—248. 1910.
3) Pflüg. Arch. Bd. 170, S. 585-645. 1918.
4) Pflüg. Arch. Bd. 171, S. 215—229. 1918.
 
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