Studien über den Schwindel
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physiologischen Vorstellung ein bestimmter Bezirk des eigentlichen
Schwindels ausgegrenzt, wozu später eine gewisse Neigung besteht,
sondern von vornherein gehören alle Erlebnisse dazu, bei denen im
Leben von Schwindel gesprochen wird. Diese Offenheit für alle sub-
jektiven Äußerungen des Lebens, der ,,sinnliche Wahrheit das
Höchste“ ist, ist ein Charakteristikum aller Purkin JE’schen For-
schungen. Aus diesem großen Bereich des Schwindels wird nun für
die genauere Analyse der Bewegungsschwindel herausgegriffen, um
an diesem Einzelfall die Grundphänomene aufzuzeigen. Purkinje
geht aus von einem Selbstversuch: er dreht sich in gerader Haltung
mit offenen Augen eine Zeitlang schnell um sich selber und bleibt
dann plötzlich stehen. Dieser Versuch wird dann so variiert, daß
immer wieder andere Kopfstellungen beim Sich-Drehen eingenommen
werden, um so alle Modifikationen des Raumes nachzubilden. Die
bei diesem Versuch auftretenden Schwindelphänomene äußern sich
nun in der Sphäre des Gesichtssinnes (als Augenschwindel), in der
des Tastsinnes (als Tastschwindel), in der des Gefühlssinnes, des
Gehörssinnes und im Blutsystem. Am Schwindel nehmen also alle
Sin'neskreise teil, jeder in der ihm eigentümlichen Sprache. Der
Schwindel hat verschiedene Modifikationen in den untergeordneten
Sinneskreisen, und er ergreift auch die vegetativen Systeme. Er
kann lokalisiert bleiben auf eine Sinnessphäre (partieller Schwindel).
Er kann aber auch das gesamte System in Mitleidenschaft ziehen
(allgemeiner Schwindel). Für das Grundphänomen des Schwindels
in allen einzelnen Sinnesgebieten hält Purkinje die Scheinbewegung
der (sichtbaren, tastbaren usw.) Gegenstände. Seine vorläufige De-
finition sagt, daß der Schwindel „eine durch subjektive Zustände
bedingte Scheinbewegung der Sinneserscheinungen sei, die durch
eine Täuschung aufs Objektive übertragen wird“. Durch ein längeres
Sich-Drehen etwa kommt es zu einer Tendenz der Motorik, sich
nach einer bestimmten Richtung zu bewegen. Diese Tendenz ist
als solche nicht mehr bewußt. Erfolgen dann willkürliche Bewegun-
gen, wie das plötzliche Stehenbleiben, so geht in diese die nicht
bewußte Einstellung der Motorik mit ein und verändert das Ver-
hältnis des Körpers zum Raum. Weil die durch die Drehung hervor-
gerufene Bewegungstendenz sich bewußtlos als solche nicht wahr-
nehmbar für das Subjekt vollzieht, wird sie auf das Objekt über-
tragen, und dieses erscheint nun in Bewegung. Weil, so sagt Pur-
kinje an anderer Stelle, sich für die Augenbewegungen oder Körper-
bewegungen im Bewußtsein keine subjektiven Gründe finden lassen,
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physiologischen Vorstellung ein bestimmter Bezirk des eigentlichen
Schwindels ausgegrenzt, wozu später eine gewisse Neigung besteht,
sondern von vornherein gehören alle Erlebnisse dazu, bei denen im
Leben von Schwindel gesprochen wird. Diese Offenheit für alle sub-
jektiven Äußerungen des Lebens, der ,,sinnliche Wahrheit das
Höchste“ ist, ist ein Charakteristikum aller Purkin JE’schen For-
schungen. Aus diesem großen Bereich des Schwindels wird nun für
die genauere Analyse der Bewegungsschwindel herausgegriffen, um
an diesem Einzelfall die Grundphänomene aufzuzeigen. Purkinje
geht aus von einem Selbstversuch: er dreht sich in gerader Haltung
mit offenen Augen eine Zeitlang schnell um sich selber und bleibt
dann plötzlich stehen. Dieser Versuch wird dann so variiert, daß
immer wieder andere Kopfstellungen beim Sich-Drehen eingenommen
werden, um so alle Modifikationen des Raumes nachzubilden. Die
bei diesem Versuch auftretenden Schwindelphänomene äußern sich
nun in der Sphäre des Gesichtssinnes (als Augenschwindel), in der
des Tastsinnes (als Tastschwindel), in der des Gefühlssinnes, des
Gehörssinnes und im Blutsystem. Am Schwindel nehmen also alle
Sin'neskreise teil, jeder in der ihm eigentümlichen Sprache. Der
Schwindel hat verschiedene Modifikationen in den untergeordneten
Sinneskreisen, und er ergreift auch die vegetativen Systeme. Er
kann lokalisiert bleiben auf eine Sinnessphäre (partieller Schwindel).
Er kann aber auch das gesamte System in Mitleidenschaft ziehen
(allgemeiner Schwindel). Für das Grundphänomen des Schwindels
in allen einzelnen Sinnesgebieten hält Purkinje die Scheinbewegung
der (sichtbaren, tastbaren usw.) Gegenstände. Seine vorläufige De-
finition sagt, daß der Schwindel „eine durch subjektive Zustände
bedingte Scheinbewegung der Sinneserscheinungen sei, die durch
eine Täuschung aufs Objektive übertragen wird“. Durch ein längeres
Sich-Drehen etwa kommt es zu einer Tendenz der Motorik, sich
nach einer bestimmten Richtung zu bewegen. Diese Tendenz ist
als solche nicht mehr bewußt. Erfolgen dann willkürliche Bewegun-
gen, wie das plötzliche Stehenbleiben, so geht in diese die nicht
bewußte Einstellung der Motorik mit ein und verändert das Ver-
hältnis des Körpers zum Raum. Weil die durch die Drehung hervor-
gerufene Bewegungstendenz sich bewußtlos als solche nicht wahr-
nehmbar für das Subjekt vollzieht, wird sie auf das Objekt über-
tragen, und dieses erscheint nun in Bewegung. Weil, so sagt Pur-
kinje an anderer Stelle, sich für die Augenbewegungen oder Körper-
bewegungen im Bewußtsein keine subjektiven Gründe finden lassen,