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P. Vogel:
wegten Streifen den Nystagmus bedingt, das nystaktische Hin- und
Herschieben der Augen aber eine deutliche optische Erfassung der
Streifen trotz ihrer Bewegung ermöglicht. Mit der Änderung der
Bewegungswahrnehmung ändert sich auch die Ablaufsform des
Nystagmus. Und wenn bei hoher Geschwindigkeit des Rades die
Streifen zu verschmelzen beginnen, hört der Nystagmus auf. Aber
nicht genug damit; wir hatten gesagt, daß dem optischen Reiz des
sich bewegenden Rades Wahrnehmung und Motorik zugeordnet
seien, aber zum optischen Reiz für diese sensomotorische Struktur
wird das sich drehende Rad erst durch diese selbst, indem die Vp.
bereit ist, die Streifen zu verfolgen und sich bemüht, ihnen nachzu-
kommen. Zwischen optischem Reiz — Wahrnehmung — Augen-
bewegungen — besteht also ein eigentümlicher dynamischer Zu-
sammenhang, in dem ein Moment das andere bedingt, eins das
andere gleichsam vor sich hertreibt. Von Weizsäcker hat für solche
biologischen Strukturen den Terminus ,,Gestaltkreis“ vorgeschlagen.
Er soll zum Ausdruck bringen die ringförmige Geschlossenheit funk-
tioneller Abhängigkeiten, die kein Zerreißen duldet.» Es ist ersicht-
lich, daß sich solche Abläufe nicht nach dem Schema Reiz — Reflex
verstehen lassen. Die Unzulänglichkeit eines solchen Versuches ist
bereits früher empfunden worden. Es sei nur hingewiesen auf F. B.
Hofmanns sogenannte psycho-optischen Reflexe, bei denen erst „die
Aufmerksamkeit das Netzhautbild zu einem Reflexreiz macht“. Bei
relativ langsamen Geschwindigkeiten des Drehrades bildet sich in
der Situation A in dem optischen Gestaltkreis ein Gleichgewicht
heraus, so daß die Vp. trotz der Bewegung des Rades, die als Störung
wirkt, mit Hilfe des Nystagmus zu einer deutlichen Wahrnehmung
der Streifen kommt. Die Störung ist dann auf den optischen Kreis
gleichsam lokalisiert. Wird die Umdrehungsgeschwindigkeit des
Rades aber vergrößert, so daß sie sich einer bestimmten kritischen
Geschwindigkeit nähert, so wird dies Gleichgewicht in Frage gestellt
(der Nystagmus hat eine Grenze der Frequenz, die Wahrnehmung
der Streifen wird undeutlich). Und nun setzt die Haltungsänderung
des ganzen Körpers im Sinne der Drehrichtung ein (Kopfdrehung,
Rumpfdrehung, Wanderung der vorgestreckten Arme). Das Ver-
sagen im optischen Kreis dokumentiert sich in dieser Heranziehung
von auxiliären Bewegungen so, wie bei beginnender Atemnot andere,
sonst nicht der Atmung dienende Muskeln in den Funktionszusam-
menhang der Atmung eintreten. Die Verarbeitung der durch das
Drehrad entstandenen Störung ist nicht mehr auf den optischen
P. Vogel:
wegten Streifen den Nystagmus bedingt, das nystaktische Hin- und
Herschieben der Augen aber eine deutliche optische Erfassung der
Streifen trotz ihrer Bewegung ermöglicht. Mit der Änderung der
Bewegungswahrnehmung ändert sich auch die Ablaufsform des
Nystagmus. Und wenn bei hoher Geschwindigkeit des Rades die
Streifen zu verschmelzen beginnen, hört der Nystagmus auf. Aber
nicht genug damit; wir hatten gesagt, daß dem optischen Reiz des
sich bewegenden Rades Wahrnehmung und Motorik zugeordnet
seien, aber zum optischen Reiz für diese sensomotorische Struktur
wird das sich drehende Rad erst durch diese selbst, indem die Vp.
bereit ist, die Streifen zu verfolgen und sich bemüht, ihnen nachzu-
kommen. Zwischen optischem Reiz — Wahrnehmung — Augen-
bewegungen — besteht also ein eigentümlicher dynamischer Zu-
sammenhang, in dem ein Moment das andere bedingt, eins das
andere gleichsam vor sich hertreibt. Von Weizsäcker hat für solche
biologischen Strukturen den Terminus ,,Gestaltkreis“ vorgeschlagen.
Er soll zum Ausdruck bringen die ringförmige Geschlossenheit funk-
tioneller Abhängigkeiten, die kein Zerreißen duldet.» Es ist ersicht-
lich, daß sich solche Abläufe nicht nach dem Schema Reiz — Reflex
verstehen lassen. Die Unzulänglichkeit eines solchen Versuches ist
bereits früher empfunden worden. Es sei nur hingewiesen auf F. B.
Hofmanns sogenannte psycho-optischen Reflexe, bei denen erst „die
Aufmerksamkeit das Netzhautbild zu einem Reflexreiz macht“. Bei
relativ langsamen Geschwindigkeiten des Drehrades bildet sich in
der Situation A in dem optischen Gestaltkreis ein Gleichgewicht
heraus, so daß die Vp. trotz der Bewegung des Rades, die als Störung
wirkt, mit Hilfe des Nystagmus zu einer deutlichen Wahrnehmung
der Streifen kommt. Die Störung ist dann auf den optischen Kreis
gleichsam lokalisiert. Wird die Umdrehungsgeschwindigkeit des
Rades aber vergrößert, so daß sie sich einer bestimmten kritischen
Geschwindigkeit nähert, so wird dies Gleichgewicht in Frage gestellt
(der Nystagmus hat eine Grenze der Frequenz, die Wahrnehmung
der Streifen wird undeutlich). Und nun setzt die Haltungsänderung
des ganzen Körpers im Sinne der Drehrichtung ein (Kopfdrehung,
Rumpfdrehung, Wanderung der vorgestreckten Arme). Das Ver-
sagen im optischen Kreis dokumentiert sich in dieser Heranziehung
von auxiliären Bewegungen so, wie bei beginnender Atemnot andere,
sonst nicht der Atmung dienende Muskeln in den Funktionszusam-
menhang der Atmung eintreten. Die Verarbeitung der durch das
Drehrad entstandenen Störung ist nicht mehr auf den optischen