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P. Vogel:
Versuch sehr deutlich. Man hat den Eindruck eines kleinen Kunst-
stückes, das man aufführt und das wie ein Kartenhaus jeden
Augenblick zusammenfallen kann. Im kritischen Geschwindigkeits-
bereich kommt es meist dazu, daß nicht nur die Marke bewegt
erscheint, sondern mit ihr alles im indirekten Sehen erfaßte Sicht-
bare herumgeht. Es ist dann so, als ob alles, d. h. der ganze Raum,
in dem man sich befindet, an dem stillstehenden Drehrad vorbei-
zieht. Hat diese Scheinbewegung eine gewisse Geschwindigkeit an-
genommen, so führt sie zur räumlichen Desorientierung und zum
Schwindel. Wird die Störung so groß, daß die Fixation der Marke
nur noch mit Mühe eingehalten werden kann, so treten bei manchen
Vpn. Körperdrehungen auf, die aber der Drehung des Rades ent-
gegengerichtet sind und die Scheinbewegung des Raumes noch
unterstützen. Man macht die Scheinbewegung körperlich mit. Das
Markante dieser Situation B ist also das Erlebnis der Scheinbewe-
gung, das Auftreten einer Sinnestäuschung. Ruhendes wird als
bewegt erlebt, Bewegtes ruhend. Die motorischen Reaktionen, die
in der Situation A vorhanden waren, fehlen hier. Es besteht kein
Nystagmus und keine Körperbewegungen in der Drehrichtung des
Rades (sogenannte optokinetische Körperreflexe). Wiederum aber
konnten wir zeigen, daß diese Scheinbewegung nur ein Moment in
einer psychophysischen Konfiguration ist, die in allen Einzelheiten
sich anders aufbaut als die in der Situation A auftretende. Auch
die Situation B ist nicht hinreichend beschrieben, wenn festgestellt
wird, daß in ihr ein Reiz nicht richtig erkannt, sondern verkannt
wird, daß statt Ruhe Bewegung wahrgenommen wird.
Gehen wir aus der Situation A in die Situation B über oder
aus dieser wieder in jene — wir konnten Versuche beschreiben, in
denen das ohne Hilfen, wie von selbst, geschah — so zeigt dieser
Wandel den dynamischen Zusammenhang von A und B. Die in
ihnen auftretenden psychophysischen Konfigurationen, die wir
näher analysierten, lösen dabei einander ab, nicht nur im Sinne
zeitlicher Aufeinanderfolge, sondern in dem prägnanteren, daß jede
Stelle der alten Ordnung in der neuen anders besetzt ist. So ergibt
sich, daß der Nystagmus und die Reaktionsbewegungen beim Über-
gang von A nach B verschwinden und dafür die Scheinbewegung
auftritt. Denselben Platz in der dynamischen Ordnung der Störungs-
verarbeitung, den in A „die Reflexe“ einnahmen, besetzt in B „die
Sinnestäuschung“. Der Umschlag von der einen Situation in die
andere kann sich schnell, fast schlagartig vollziehen. Er ist nicht
P. Vogel:
Versuch sehr deutlich. Man hat den Eindruck eines kleinen Kunst-
stückes, das man aufführt und das wie ein Kartenhaus jeden
Augenblick zusammenfallen kann. Im kritischen Geschwindigkeits-
bereich kommt es meist dazu, daß nicht nur die Marke bewegt
erscheint, sondern mit ihr alles im indirekten Sehen erfaßte Sicht-
bare herumgeht. Es ist dann so, als ob alles, d. h. der ganze Raum,
in dem man sich befindet, an dem stillstehenden Drehrad vorbei-
zieht. Hat diese Scheinbewegung eine gewisse Geschwindigkeit an-
genommen, so führt sie zur räumlichen Desorientierung und zum
Schwindel. Wird die Störung so groß, daß die Fixation der Marke
nur noch mit Mühe eingehalten werden kann, so treten bei manchen
Vpn. Körperdrehungen auf, die aber der Drehung des Rades ent-
gegengerichtet sind und die Scheinbewegung des Raumes noch
unterstützen. Man macht die Scheinbewegung körperlich mit. Das
Markante dieser Situation B ist also das Erlebnis der Scheinbewe-
gung, das Auftreten einer Sinnestäuschung. Ruhendes wird als
bewegt erlebt, Bewegtes ruhend. Die motorischen Reaktionen, die
in der Situation A vorhanden waren, fehlen hier. Es besteht kein
Nystagmus und keine Körperbewegungen in der Drehrichtung des
Rades (sogenannte optokinetische Körperreflexe). Wiederum aber
konnten wir zeigen, daß diese Scheinbewegung nur ein Moment in
einer psychophysischen Konfiguration ist, die in allen Einzelheiten
sich anders aufbaut als die in der Situation A auftretende. Auch
die Situation B ist nicht hinreichend beschrieben, wenn festgestellt
wird, daß in ihr ein Reiz nicht richtig erkannt, sondern verkannt
wird, daß statt Ruhe Bewegung wahrgenommen wird.
Gehen wir aus der Situation A in die Situation B über oder
aus dieser wieder in jene — wir konnten Versuche beschreiben, in
denen das ohne Hilfen, wie von selbst, geschah — so zeigt dieser
Wandel den dynamischen Zusammenhang von A und B. Die in
ihnen auftretenden psychophysischen Konfigurationen, die wir
näher analysierten, lösen dabei einander ab, nicht nur im Sinne
zeitlicher Aufeinanderfolge, sondern in dem prägnanteren, daß jede
Stelle der alten Ordnung in der neuen anders besetzt ist. So ergibt
sich, daß der Nystagmus und die Reaktionsbewegungen beim Über-
gang von A nach B verschwinden und dafür die Scheinbewegung
auftritt. Denselben Platz in der dynamischen Ordnung der Störungs-
verarbeitung, den in A „die Reflexe“ einnahmen, besetzt in B „die
Sinnestäuschung“. Der Umschlag von der einen Situation in die
andere kann sich schnell, fast schlagartig vollziehen. Er ist nicht