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P. Vogel:
den Sinneswahrnehmungen; aber daß es typische Erlebnisse in
diesem Bereich gibt und daß diesen typische Formen vegetativer
Erregung entsprechen, das kann nicht bezweifelt werden. Es handelt
sich demnach bei dem vegetativen Schwindelsyndrom nicht nur
um ein Vagussyndrom, wie das Kohn stamm (9) meinte (Übergreifen
der Erregung vom Vestibulariskerngebiet auf das des benachbarten
Vagus). Diese Auffassung ist zu eng, darin hat M. H. Fischer ganz
recht. Aber es geht zu weit, wenn er von einer starken vegetativen
Erregung überhaupt, die vielleicht alle vegetativen Zentren der
Medulla oblongata umfaßt, spricht. Eine solche ist jedenfalls heute
klinisch und experimentell nicht erwiesen.
2. Versuch einer physiologischen Deutung.
An den soeben umrissenen Ergebnissen, die aus der Sichtung
des Beobachtungsmateriales hervorgehen, hätte sich der Versuch
einer physiologischen Deutung des Zusammenhanges von Schwindel
und vegetativen Erscheinungen zu orientieren. Ziemlich allgemein
wird für diese Beziehung heute an der von Kohn stamm, Ewald
u. a. ausgesprochenen Annahme festgehalten, daß bei abnormer
Beizung des Vestibularapparates die Erregung auf die vegetativen
Zentren in der Medulla oblongata überginge, die in der anatomischen
Nachbarschaft des vestibulären Kerngebietes gelegen sind. In
ähnlicher Weise hat Bruns (3) für die Seekrankheit formuliert, daß
durch die ungewohnte abnorme Reizung des Gleichgewichtsappa-
rates ein Reflexbogen zu den vegetativen Zentren und Bahnen sich
bilde, in die die Reize gleichsam einbrechen. Die physiologische
Basis, von der diese Erklärungen ausgehen, ist die bekannte Vor-
stellung, daß Erregungen im Z.N.S. unter bestimmten Bedingungen
nicht auf das gereizte System lokalisiert bleiben, sondern auf andere
übergehen, diese miterregen. Solche ,,zentrale Irradiation“ ist ja
für die Deutung der Affekte und Emotionen des öfteren herangezogen
worden, und meist wurde in der zu großen Intensität der einwirkenden
Reize das Hauptmoment für ihr Zustandekommen gesehen. Auch
für unseren konkreten Fall der vegetativen Symptome des Schwin-
dels ist dementsprechend in erster Linie daran gedacht worden, daß
vestibuläre Reize von besonderer Intensität (etwa die Schiffs-
bewegungen oder heftige Drehreize) der eigentliche Anlaß zur Mit-
erregung der vegetativen Zentren seien. Einige Autoren (Bruns,
Abels) sprechen von abnormen ungewohnten widernatürlichen
Reizen, allerdings ohne genauere Angabe, welches Moment der
P. Vogel:
den Sinneswahrnehmungen; aber daß es typische Erlebnisse in
diesem Bereich gibt und daß diesen typische Formen vegetativer
Erregung entsprechen, das kann nicht bezweifelt werden. Es handelt
sich demnach bei dem vegetativen Schwindelsyndrom nicht nur
um ein Vagussyndrom, wie das Kohn stamm (9) meinte (Übergreifen
der Erregung vom Vestibulariskerngebiet auf das des benachbarten
Vagus). Diese Auffassung ist zu eng, darin hat M. H. Fischer ganz
recht. Aber es geht zu weit, wenn er von einer starken vegetativen
Erregung überhaupt, die vielleicht alle vegetativen Zentren der
Medulla oblongata umfaßt, spricht. Eine solche ist jedenfalls heute
klinisch und experimentell nicht erwiesen.
2. Versuch einer physiologischen Deutung.
An den soeben umrissenen Ergebnissen, die aus der Sichtung
des Beobachtungsmateriales hervorgehen, hätte sich der Versuch
einer physiologischen Deutung des Zusammenhanges von Schwindel
und vegetativen Erscheinungen zu orientieren. Ziemlich allgemein
wird für diese Beziehung heute an der von Kohn stamm, Ewald
u. a. ausgesprochenen Annahme festgehalten, daß bei abnormer
Beizung des Vestibularapparates die Erregung auf die vegetativen
Zentren in der Medulla oblongata überginge, die in der anatomischen
Nachbarschaft des vestibulären Kerngebietes gelegen sind. In
ähnlicher Weise hat Bruns (3) für die Seekrankheit formuliert, daß
durch die ungewohnte abnorme Reizung des Gleichgewichtsappa-
rates ein Reflexbogen zu den vegetativen Zentren und Bahnen sich
bilde, in die die Reize gleichsam einbrechen. Die physiologische
Basis, von der diese Erklärungen ausgehen, ist die bekannte Vor-
stellung, daß Erregungen im Z.N.S. unter bestimmten Bedingungen
nicht auf das gereizte System lokalisiert bleiben, sondern auf andere
übergehen, diese miterregen. Solche ,,zentrale Irradiation“ ist ja
für die Deutung der Affekte und Emotionen des öfteren herangezogen
worden, und meist wurde in der zu großen Intensität der einwirkenden
Reize das Hauptmoment für ihr Zustandekommen gesehen. Auch
für unseren konkreten Fall der vegetativen Symptome des Schwin-
dels ist dementsprechend in erster Linie daran gedacht worden, daß
vestibuläre Reize von besonderer Intensität (etwa die Schiffs-
bewegungen oder heftige Drehreize) der eigentliche Anlaß zur Mit-
erregung der vegetativen Zentren seien. Einige Autoren (Bruns,
Abels) sprechen von abnormen ungewohnten widernatürlichen
Reizen, allerdings ohne genauere Angabe, welches Moment der