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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0025
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Theophrasts von Hohenheim. I.

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Wenn man auch hier einen Begriff aus der modernen Verer-
bungslehre einführen wollte, könnte man von „Herausmendeln“
sprechen.
Und nun werden durch die ganze Natur hindurch solche Fälle
eines Neuentstehens von Formen aufgesucht, „und solcher dingen
all, auch viler mer dan wir anzeigen, sol em arzt (kennen),
wissent und wol erfaren sein“54)- Aufgezählt werden zahlreiche
Pflanzen mit ihrer Herkunft „negeli“ z. B. „ist ein transplantierter
blum mit wurzel und allem aus den aquilegiis und aus dem Gift
urticae oder melissae“ — ohne daß mir bisher verständlich wäre,
wie man von Akelei und Melisse zur Nelke kommt. Die Auf-
deckung des Prinzips, nach dem diese Verwandtschaften aufge-
sucht wurden, wäre von größtem wissenschaftsgeschichtlichem
Interesse, da hier offenbar so etwas wie eine natürliche Stammes-
geschichte, ein natürliches System der Pflanzen versucht wird.
Denn die Behauptung, daß die Nelke ein transplantierte Akelei
sei, ist wohl etwa von derselben Struktur wie unsere Meinung,
daß die Wirbeltiere sich von den Ascidien ableiten, „darumb nicht
unbillich zu reden ist wider die, so der kreuter art beschreiben
und sehen nicht an, was gebürt sie sind“55).
Auch im Anorganischen gibt es Transplantationen — nur ge-
schehen sie in ganz anderer Weise als bei Pflanze und Tier,
„es muß doch nicht nur ein modus transplantanti sein, ir sind
vil, und zu dem ein ieglichs zu eim neuen ein ursach“56). Bei
den Mineralien (die aus dem Element Wasser stammen) geschieht
sie durch Extraktion, also durch einen dem Alchymisten geläufigen
Prozeß. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, der Smaragd ein
transplantiertes Kupfer. Hier gewinnt der Begriff der Transplan-
tatio bzw. der ihm sehr ähnliche der Transmutatio den ursprüng-
lichen alchymistischen Sinn von der Verwandlung der Stoffe57).
Es handelt sich bei der Alchymie um eine Scheidekunst — in
gleicher Weise schafft die Natur neue Stoffe durch die „Extrak-
tion“, den „modus transplantandi in elemento aquae“. Damit ist
nun auch gesagt, daß der Mensch im Stande ist, die Umbildung
der Stoffe, die in der Natur an sich schon abläuft, fortzusetzen
und weiter zu steigern, „und wie sich auch begibt, das der artifex
54) VI, 356. 68) VI, 358. 56) VI, 360.
57) Es gilt auch hier wieder, daß der uns geläufige Versuch der Alchy-
misten, unedle Metalle in Gold zu transmutieren, von Parazelsus nur
polemisch erwähnt wird.
 
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