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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0028
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J. D. Achelis : Syphilisschriften

leib iren Ursprung nemmen, wie dan von inen geschrieben stehet,
nun liegen sie im menschen lange zeit verborgen, vor dem ehe
sie ausbrechen, solche verborgen krankheiten, die den kranken
unwissent seind, stehent dem arzet zu erkennen, dan ein iegliche
hat in Sonderheit ir genante zeit auszubrechen, und indem so
stet die müglikeit des französischen gifts inzufallen. also heiss ich
ein solche krankheit ein corpus, welches aus der französischen
tinctur zu franzosen verwandlet wird“67).
Es ist kein Zweifel, daß hier mit aller Deutlichkeit von einer
Verwandlung der Krankheiten gesprochen wird. Dabei muß nur
festgehalten werden, daß es sich nicht um eine bereits bestehende
Krankheit handelt, die sich dann in Syphilis verwandelt. Viel-
mehr wird von einer verborgenen Krankheit, an anderer Stelle
auch von dem „Fünklin“ einer Krankheit gesprochen. Diese ver-
borgene Krankheit kommt dann durch die Infektion zum Ausbruch,
und das Krankheitsbild ist durch jene Krankheitsanlage bestimmt.
Nur ist die Krankheit dann eben in „französische Art transmutiert“.
Vergleicht man diese Theorie mit unseren heutigen Erfahrungen,
muß man zunächst feststellen, daß es tatsächlich nur wenige
Krankheitsbilder (im groben betrachtet) gibt, die nicht auch durch
den Erreger der Syphilis hervorgerufen werden könnten, und es
ist ja nicht immer ganz einfach, nicht selten unmöglich, aus den
Symptomen als solchen die Diagnose Syphilis zu stellen. Es gibt
eben neben anderen Magenerkrankungen auch die Magenlues,
neben der chronischen Lungenentzündung auch die Lungenlues
und so fort. Die Lues teilt diese merkwürdige Eigenschaft nur
mit wenigen anderen Krankheiten. Die parazelsische Theorie, die
der Syphilis eine Sonderstellung zuweist, hat also durchaus ihre
tatsächlichen Grundlagen. Es war oben bei der Anatomia morbi
darauf hingewiesen worden, daß das eigentliche Problem darin
läge, zu erkennen, warum sich die Lues bald hier bald dort lokali-
siert. Hier wird jetzt eine Antwort versucht: es muß eine „ver-
borgene Krankheit“ da sein, also eine bestimmte Anlage, die
dann im Krankheitsverlauf offenbar wird.
Man kann an dem Erkenntniswert einer solchen Theorie zu-
nächst zweifeln, die die Erklärung in das „Verborgene“ verschiebt.
Doch trifft man damit nicht den Sinn der parazelsischen Theorie,
die immer auf die Therapie abzielt: „so wissent, das die theoric
gleich so wol sol ein werk sein als die practic an ir selbs und

67) VII, 199/200
 
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