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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0032
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J. D. Achelis: Syphilisschriften

nicht Aufgabe der Geschichtsschreibung der Medizin sein kann, wäre
sie im vorliegenden Fall ein recht umfangreiches. Unternehmen.
Es macht das reformatorisch-polemische Verfahren Hohenheim’s
geradezu aus, daß er alles, was er an landläufigen Meinungen
vorfindet, aufgreift und bis auf den wahren Kern zurückführt. So
finden sich zweifellos mannigfache antike, arabische, scholastische
Lehrmeinungen oder Formulierungen bei ihm wieder. In das
Ganze sind manche seltsamen Zauber- und Deutekünste eigen-
tümlich verwoben. Fast eklektisch erscheint bisweilen sein theore-
tisches Vorgehen. Geeint wird es aber durch das unablässige
Streben, in allem die Wahrheit im Licht der Natur zu finden
und so die verantwortliche Unmittelbarkeit zur Natur wieder her-
zustellen. Geschlossen ist dieses System nicht so sehr im konse-
quenten Fortgang der Gedanken, als vielmehr durch den immer
erneuten Bezug auf die dynamisch bewegte, aber doch in sich
einheitliche Natur.
Der Nachweis, daß in dieser Form hier in den Syphilisschriften
ein großartiger Versuch vorliegt, die Natur systematisch denkend
zu erfassen, ein Versuch, der in vielem geglückt ist, war das
Ziel dieser Untersuchung. Ich hoffe, daß der Beweis einigermaßen
überzeugend gelungen ist.
Darüber hinaus ist es dann wohl eine Frage des persönlichen
Geschmacks, was man als besonders wichtig aus dieser Gesamt-
darstellung einer Krankheit herausheben will, die doch im Grunde
nur als Einheit genommen werden darf. So wird der eine viel-
leicht darauf hinweisen, daß hier der Mensch von vornherein als
geschichtliches und nicht nur biologisches Wesen eingeführt wird,
der andere wird die „experientia“, die Erfahrenheit im Licht
der Natur als Grundlage der Medizin für besonders wichtig er-
achten, ein dritter mag davon beunruhigt sein, daß hinter dieser
Naturphilosophie wohl eine seltsame Form des Christentums steht.
Diese Aspekte werden alle nichts daran ändern, daß gerade das para-
zelsische Lebenswerk, das durch seinen antithetisch-polemischen,
also reformatorischen Ansatz wie kaum ein anderes zeitgebunden
ist, der Vergangenheit angehört. Parazelsus eignet sich daher
noch weniger als irgend jemand sonst zur unmittelbaren Ver-
wendung in der Gegenwart — es sei denn, daß man ihn, wie es
in nunmehr vierhundert Jahren immer wieder geschehen ist, unter
Hintansetzung der historischen Treue für eigene Gedanken als
Paten bemüht.
 
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