Metadaten

Hattingberg, Immo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 10. Abhandlung): Sensibilitätsuntersuchungen an Kranken mit Schwellenverfahren: aus der Nervenabteilung der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg i. Br — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43768#0007
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
an Kranken mit Schwellenverfahren

7

Wir müssen wissen, welche Anforderungen die Schwellen-
prüfung an die Aufmerksamkeit, den Verstand und das Urteils-
vermögen der Versuchsperson stellt. Dazu ist der Selbstversuch
die wichtigste Voraussetzung. Grundsätzlich kann man annehmen,
daß z. B. die Prüfungen, welche nur eine Aussage verlangen,
ob die Versuchsperson etwas empfindet oder nicht, leichter sind
als die Versuche, die einen Vergleich über „stärker oder schwä-
cher“ verlangen. Wo ist aber die Grenze, an der auch die Be-
antwortung einer einfachen Empfindung eine gute Selbstbeobach-
tung voraussetzt und wie sichert man sich an dieser Grenze
gegen Willkür und Selbsttäuschung? Wieweit gelingt es, Auf-
merksamkeitsstörungen aus zu schalten ?
Abgesehen von diesen psychologischen Voraussetzungen ist
es dann notwendig zu ermitteln, wieweit die physiologischen Er-
gebnisse konstant sind oder wechseln. Seit wir wissen, daß die
Sensibilitätsschwellen vor allem bei den zentralen Erkrankungen
sich während der Untersuchung verändern, ist es von besonderer
Wichtigkeit, diese krankhafte Veränderlichkeit zu messen. Wir
wissen, daß wir bei Beurteilung einer Sensibilitätsstörung zweier-
lei berücksichtigen müssen: Zunächst kann ein Teil der Empfänger
in der Peripherie, ihrer Leitungsbahnen oder Bahnen der zentralen
Neuronen ausfallen. Dadurch wird sich die Empfindlichkeit einer
Hautfläche vermindern. Die erhaltenen Elemente können aber
soweit für die ausgefallenen eintreten, daß es nicht zu einer
Störung der Tastleistung oder zu einer merklichen Störung der
Schmerzempfindung kommen muß. Die zweite Möglichkeit besteht
darin, daß die Bahnen zwar die Erregung noch leiten können,
daß aber der Erregungsablauf durch Schädigung an irgend einer
Stelle der Neuronenkette gestört ist. Dadurch kann es zu Fäl-
schungen der Empfindung und zu Störungen des Zusammen-
wirkens der Teile kommen. Ein solcher Zustand, den v. Weiz-
säcker als Funktionswandel bezeichnet hat, braucht die einfache
Empfindung nicht zu beeinträchtigen, kann aber zum Versagen
der Tastleistung oder des Unterscheidungsvermögens für Quali-
täten führen. Wenn z. B. die Empfindlichkeit eines Punktes schon
nach einem Reiz abnimmt, oder wenn die Erregungsdauer in ihm
oder in einer zentralen Ganglienzelle verlängert ist, oder wenn
von einer Stelle der Neuronenkette eigene Impulse ausgehen, so
kann das zur Störung der sinnlichen Wahrnehmungen führen,
ohne daß ein Empfindungsausfall festzustellen wäre. So entsteht
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften