Metadaten

Hattingberg, Immo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 10. Abhandlung): Sensibilitätsuntersuchungen an Kranken mit Schwellenverfahren: aus der Nervenabteilung der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg i. Br — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43768#0109
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HO Immo v. HattingberG: Sensibilitätsuntersuchungen
Hinweise. Die Schwellenprüfung kann hier nur als ergänzendes
Verfahren zu der Gesamtuntersuchung hinzukommen. Bedenkt
man, daß die einzelnen Systeme des Hautsinnesorganes im Rücken-
mark wie im Thalamus und den Rindenzentren in engster histo-
logischer und physiologischer Beziehung zueinander stehen und
daß eine örtliche Schädigung eines Systems auch die Leistung
der ungeschädigten beeinträchtigen kann, so ist einleuchtend, daß
die Sicherung unserer Kentnisse hier nur durch die Anwendung
von einheitlich durchgeprobten Verfahren zu erwarten ist.
Die schnell durchgeführte Untersuchung mit den üblichen, un-
geeichten Reizen hat hier vor den umständlichen Schwellenver-
fahren sogar Vorteile: Sie deckt erstens die groben und siche-
ren Abweichungen auf und ermöglicht es daher zum Beispiel
schneller, eine Dissoziation nachzuweisen. Dagegen treten bei
der Schwellenprüfung auch die vielleicht unwesentlichen Störungen
ans Licht, und es bedarf eingehender Vergleiche, um auch da
die gradweise Dissoziation sicherzustellen. Zweitens hat die üb-
liche Untersuchung den Vorteil, daß sie die Versuchsperson
weniger ermüdet. Zum Beispiel tritt die Hyperpathie bei reinen
Hinterstrangschädigungen besonders bei längerer Untersuchung
in Erscheinung; man kann sich daher bei der Schwellenprüfung
leichter täuschen lassen. Wenn daher in solchen Fällen nur die
Ortsdiagnose geklärt werden soll, so kann man auf die Schwellen-
untersuchung meist verzichten. Die Gesamtbeobachtung ergibt
dann mehr als die eingehende Beobachtung einer kleinen Fläche.
Anders ist es aber, wenn wir uns über die Ortsdiagnose hin-
aus um die Erklärung der vieldeutigen krankhaften Erscheinungen
bemühen. Überblicken wir die Entwicklung unseres Wissens auf
diesem Gebiet anhand des Schrifttums, so verbirgt sich hinter
der scheinbar nebensächlichsten Erscheinung eine Unzahl unge-
klärter Fragen. Wenn bei der reinen Hinterstrangschädigung eine
Hyperpathie auftritt, so wissen wir nicht, ob sie das Zeichen
einer Reizung oder einer Enthemmung darstellt. Wenn die
Schmerzschwelle bei den Schädigungen der Rinde verändert ist,
so wissen wir nicht, ob hier überhaupt ein Teil des Schmerz-
sinnesorgans getroffen ist. Das anschaulichste Beispiel ist hier
wieder die „reine Tastagnosie“. Wenn in diesen Fällen das Haut-
sinnesorgan auch merklich gestört ist, so können wir meistens
doch nicht entscheiden, ob diese Störung die wesentliche Ur-
sache der Tastunfähigkeit darstellt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften