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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0016
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16

Victor Goldschmidt:

die Vereinigung von JA mit JB, also J(A -|- B), das arithmetische
Mittel, gleichwie die Bildung der Besultante aus A und B die Summe
A + B ist, mit Berücksichtigung der Richtung. Wir können dies
das arithmetische Mittel im Raum oder das räumliche Mittel
nennen.
Bei den Krystallen finden wir die Entwicklung vom Einfachen
zum Gomplizierten hervorgebracht durch Einschiebung nach obigem
Gesetz. Bestätigt sich dasselbe in den anderen Gebieten, so haben
wir in der Bildung der Gomplikation, des räumlichen Mittels, ein
Gesetz der Entwicklung, des Werdens, des Schaffens.
Geist und Empfindung. Es wurde geschlossen, daß unser
Geist und unsere Empfindung nach dem gleichen Gesetz der Com-
plikation arbeite, wie unsere Sinnes-Organe, das Denk-Organ nach
demselben Gesetz eingerichtet und entwickelt sei, indem unser Sinn
Harmonie der Töne und Farben als Genuß empfindet, wir aber als
Genuß definierten eine Belebung der Funktionen unserer Organe,
entsprechend deren Einrichtung und Fähigkeit.
Ein Beweis dafür, daß der Geist nach diesem Gesetz arbeitet,
könnte darin bestehen, daß sich zeigen ließe, daß er sich nach
diesem Gesetz schaffend betätigt. Dies scheint in der Tat der
Fall. Wir wollen den Nachweis an zwei Beispielen versuchen: an
der formellen Kunst und an den Zahlensystemen. In beiden
Fällen trägt der Geist seine Eigenart in die Natur hinaus, gestaltet
und ordnet dieselbe nach seinem Ebenbild.

Complikation in der formellen Kunst.
Der Genuß des Schönen, die Freude an der Kunst, wie an der
Schönheit der Natur, besteht darin, daß wir in den Erscheinungen
unser Wesen (Denken und Empfinden) wiederfinden. Durch Zu-
fügung des mit der Tätigkeit unserer Sinne, unseres Denkens und
Empfindens gleichartig Wirkenden wird unsere Lebenstätigkeit er-
höht. Wir werden sympathisch, d. h. im Sinn unserer eigenen
Funktionen, angeregt, belebt. Darin besteht der Genuß.
In der formellen Kunst wird das als schön empfunden (als
gefällig, harmonisch), was der Einrichtung unseres Auges und des
die Gesichts-Eindrücke verarbeitenden Geistes angepaßt ist. Dieser
Einrichtung entsprechen die Gesetze des Schönen in der Form. Sie
•entwickeln und verfeinern sich mit ihr.
 
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