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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0080
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80

Victor Goldschmidt:

Vektors (1) (Fig. 60) zwei neue Vektoren '2 2' in neuen Richtungen.
Dabei bleibt in der Regel ein Rest von 1 in der alten Richtung.
Dieser Rest wirkt begünstigend auf die Bildung der Dominante 3,
innerhalb Gabel '2 2', indem 3 in die Richtung 1 fällt und sich zu
dem Rest addiert (Fig. 61). Ein Bild für den Vorgang ist die
Bildung der Knospe in der Gabel. Wird die Knospe 3 durch den
Rest in 1 wesentlich verstärkt, so kann 3 stärker werden als '2 2'.
Dann wächst .3 über '2 21 hinaus und kann sich wieder gabeln

(Fig. 62). Das ist ein
bei Pflanzen gewöhn-
liches Bild. Wir finden


*2.

2-' z.

2 dasselbe aber auch in
J > der unbelebten Natur,

2-' z. B. bei den Schnee-
krystallen. Die gleichen
2 Gebilde bringt die Kunst
hervor, und zwar aus

Fig. 62.

Fig. 60.

Fig. 61.

innerem, durch die Naturgesetze geleitetem Gestaltungstrieb, nicht
im Kopieren der Natur. Erst nachdem die Kunst ihre Werke
der Ornamentik geschaffen hat (vielleicht schon während des Schaf-
fens), erkennt sie ihre Konkordanz mit der nach den gleichen Ge-
setzen schaffenden Natur. Sie macht eine Trifurkation und nennt
das Gebilde ein Kleeblatt. Die wiederholte Bi- und Trifurkation
kann prinzipiell ins Unendliche gehen. Wir können den Vorgang
neben die Iteration in der Mathematik stellen. Die Wiederholung
führt zu immer weitergehender Verfeinerung, bis in der Natur eine
Grenze erreicht ist. „Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht
in den Himmel wachsen.“ Die Summe aller Gabelungen aus einem
Anfangs-Vektor bildet ein harmonisch differenziertes Ganzes., den
Baum.
Unsere Gabel als Werkzeug, das Urbild unserer Furkation,
ist ursprünglich ein Ast mit seinen Zweigen. Noch heute macht
man solche Gabeln.
In der Genealogie macht man, in Analogie mit dem Natur-
vorgang, den Stammbaum mit seinen Zweigen als Bild der
F amilie.
Quinquifurkation (Fünfgabelung) (Fig. 63) ist eine weit sel-
tenere Erscheinung als die Trifurkation. Ein Beispiel in der
Natur ist die menschliche Hand, sowie die Rippen mancher
Blätter.
 
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